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Ich habe mich verträumt

Ich habe mich verträumt

Titel: Ich habe mich verträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristan Higgins
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schienen sich vor Entsetzen zusammenzuziehen. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr auf Lesters Küche, vielen Dank. „Also, äh … Lester … Findest du, ich liege völlig daneben, wenn ich behaupte, dass du doch nicht über sie hinweg bist?“ Ich versuchte zu lächeln.
    Lesters Gesichtszüge entgleisten. „Ach, verdammt“, schluchzte er. „Ich liebe sie noch immer! Ich liebe sie, und es macht mich völlig fertig!“ Er legte seinen Kopf auf den Tisch und schlug mehrmals heulend und schniefend mit der Stirn auf die Tischplatte.
    Ich fing den Blick unserer Bedienung auf und deutete auf mein Glas. „Noch einen, bitte!“
    Eineinhalb Stunden später hatte ich alles über Stefania, die kaltherzige Russin, gehört: Dass sie ihn wegen einer anderen Frau verlassen hatte … wie er zu ihrem Haus gefahren war und immer wieder ihren Namen gebrüllt hatte, bis die Polizei ihn schließlich wegbringen musste … wie er sie in einer einzigen Nacht einhundertundsieben Mal angerufen hatte … dass er in einer öffentlichen Leihbücherei auf einer antiken Landkarte Russland übermalt hatte und deshalb einhundert Stunden gemeinnützige Arbeit leisten musste. Ich nickte, murmelte Trostworte und bestellte noch einen Drink (ich hatte ihn bitter nötig, und schließlich war ich zu Fuß unterwegs – was war also schlimm daran?). Künstler, dachte ich, während ich seinen Schimpftiraden lauschte. Ich war auch abserviert worden, und trotzdem brach ich nicht heulend in fremden Vorgärten zusammen. Vielleicht könnte Kiki etwas mit ihm anfangen …?
    „Tja, dann … Viel Glück, Les“, sagte ich, als ich ihn zu seinem Wagen begleitete. Fröstelnd rieb ich mir die Arme. Die Nacht war kühl geworden, und um die Straßenlampen hing milchiger Dunst.
    „Ich hasse die Liebe“, verkündete er dem Himmel über uns. „Töte mich doch einfach, Universum!“
    „Ach, Kopf hoch“, meinte ich. „Und … danke für die Drinks.“
    Ich sah ihm nach, wie er vom Parkplatz fuhr. Um nichts in der Welt wäre ich mit in seinen Wagen gestiegen, obwohl er mir freundlicherweise angeboten hatte, mich mitzunehmen. Seufzend sah ich auf meine Armbanduhr. Zehn Uhr an einem Mittwochabend. Und wieder ein möglicher Mann weniger.
    Mist. Ich hatte meine Skulptur im Lokal vergessen, und unabhängig davon, ob der Künstler nun gestört war oder nicht, gefiel sie mir. Möglicherweise könnte sie in der nächsten Zeit noch an Wert gewinnen. Kunstschmied in Anstalt eingewiesen. Preise steigen in ungeahnte Höhen . Ich nahm mir vor, Margaret zu erwürgen, sobald ich nach Hause käme. Schließlich war sie Anwältin – vor dem nächsten Verkuppeln sollte sie den Mann gefälligst erst überprüfen!
    Ich kehrte in die Bar zurück, holte die kleine Statue, schlängelte mich wieder durch die dicht an dicht stehenden Gäste und drückte gegen die Tür. Sie klemmte. Ich schob kräftiger, und als sie sich plötzlich öffnete, prallte ich mit jemandem zusammen, der gerade hereinkommen wollte.
    „Autsch“, sagte er.
    Ich schloss die Augen. „Passen Sie doch auf“, murmelte ich zur Begrüßung.
    „Sieh mal an! Ich hätte wissen müssen, dass Sie das sind“, erwiderte Callahan O’Shea. „Wieder eine Verabredung mit dem Alkohol, Grace?“
    „Ich hatte eine Verabredung mit einem Mann, vielen Dank. Und Sie sollten sich hüten, auf andere zu zeigen. Trinkt ein Ire in einer Bar etwa nichts?“
    „Wie ich sehe, sind Sie tatsächlich wieder betrunken. Ich hoffe, Sie setzen sich nicht mehr ans Steuer.“ Er reckte den Kopf und sah zur Theke. Ich drehte mich um. Eine attraktive blonde Frau winkte mit den Fingern und lächelte.
    „Ich bin nicht betrunken! Und ich fahre nicht, also machen Sie sich keine Sorgen. Viel Spaß bei Ihrer Verabredung! SagenSie ihr, sie soll einen Doppelten bestellen.“ Damit marschierte ich an ihm vorbei in die kühle Nacht.
    Callahan O’Shea mochte ein arroganter, verwirrender Mann sein, aber ich musste zugeben, dass er mit der Einschätzung meines Zustands nicht ganz falschlag. Eigentlich hatte ich ja auch etwas essen wollen, aber als die Bedienung kam, war Lester gerade auf dem Höhepunkt seiner Tirade gegen die Liebe angekommen, und in dem Moment Buffalo Wings zu bestellen, hätte ich als unsensibel empfunden. Nun gut. Ich war nicht wirklich betrunken, nur ein bisschen angeheitert. Dazu der üppige Duft des Flieders … Eigentlich war es ein tolles Gefühl.
    Der Nebel war dichter geworden, und ich konnte mir gut vorstellen, was mein Haar gerade

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