Ich habe mich verträumt
machte. Fast spürte ich, wie es sich voll Feuchtigkeit sog, einkräuselte und in alle Richtungen ausbreitete. Ich atmete noch mehr der von Flieder geschwängerten Luft ein und stolperte – die logische Folge, wenn man auf Peterstons schiefen Gehsteigen die Augen schloss –, kam jedoch schnell wieder ins Gleichgewicht.
„Ich kann nicht fassen, dass Ihr Freund Sie in Ihrem Zustand allein nach Hause gehen lässt, Grace. Das ist unverantwortlich.“
Ich drehte mich um. „Sie schon wieder! Was wollen Sie hier?“
„Sie nach Hause bringen. Oh, ich sehe, Sie haben einen Emmy gewonnen.“ Callahan neigte den Kopf, um meine Statue besser betrachten zu können.
„Das ist ein sehr schönes Geschenk. Von Wyatt. Der es für mich gekauft hat. Und Sie müssen mich nicht nach Hause bringen.“
„Irgendjemand sollte es tun. Im Ernst: Wo ist Ihr ominöser Freund?“
„Er hat morgen schon sehr früh eine OP, also ist er gegangen.“
„Aha“, meinte Callahan. „Warum hat er Sie nicht wenigstens noch nach Hause gefahren? Musste er wieder wilde Katzen zusammentreiben?“
„Ich wollte zu Fuß gehen. Ich habe darauf bestanden. Außerdem – was ist mit Ihrer Freundin? Haben Sie sie einfach in einer Bar wie dieser allein gelassen? Tz, tz!“
„Das ist nicht meine Freundin.“
„Aber ich hab doch gesehen, wie Sie Ihnen freudig zuwinkte.“
„Aber trotzdem ist sie nicht meine Freundin.“
„Das ist wirklich schwer zu glauben“, entgegnete ich. „Wer ist sie denn sonst?“
„Meine Bewährungshelferin.“ Callahan grinste. „Und jetzt sagen Sie Onkel Cal die Wahrheit, Grace. Gab es da einen kleinen Stunk mit Ihrem Freund?“
„Nein, wir haben nicht gestunken. Gestritten … was auch immer. Und das ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“ Vielleicht war es an der Zeit, das Thema zu wechseln. „Sind Sie wirklich Ire?“
„Was denken Sie denn, Sie Genie?“
Ich denke, Sie sind ein Mistkerl . Ups. Hatte ich das laut gesagt?
„Vielleicht sollten Sie lieber eine Cola bestellen, wenn Sie das nächste Mal ausgehen, hm?“, schlug er vor. „Wie viel haben Sie getrunken?“
„Ich hatte vier Gin Tonic – eigentlich nur dreieinhalb –, und ich trinke nicht sehr oft, also ja, vielleicht spüre ich das ein bisschen. Das ist alles.“ Wir kamen an die Gerüstbrücke über den Eisenbahngleisen.
„Dann vertragen Sie also nicht viel. Wie viel wiegen Sie überhaupt?“
„Aber, Cal!“, gab ich die Empörte. „Es ist eine Todsünde, eine Frau nach ihrem Gewicht zu fragen, also lassen Sie das, Bursche.“
Er lachte mit diesem erdigen, herrlich frivolen Unterton. „Ich mag es, wenn Sie mich Bursche nennen. Und ich nenne Sie Schnapsdrossel, wie finden Sie das?“
Ich seufzte laut. „Hören Sie, Callahan O’Shea, König der irischen Kobolde, danke, dass Sie mich bis hierher begleitet haben. Es sind jetzt nur noch ein paar Blocks, also warum gehen Sie nicht wieder zu Ihrer Freundin?“
„Weil das hier nicht die beste Gegend ist und ich nicht will, dass Sie allein nach Hause gehen.“
Oha. Es war tatsächlich eine der übleren Ecken der Stadt … Wenn in der Zeitung über einen geplatzten Drogendeal geschrieben wurde, dann hatte er meist hier stattgefunden, unter der Brücke. Verstohlen sah ich Callahan von der Seite an. Abgesehen davon, dass er viel zu gut aussah, musste ich zugeben, dass er sehr … nun ja … fürsorglich war.
„Danke. Sind Sie sicher, dass es Ihrer Freundin nichts ausmacht?“
„Warum sollte es ihr etwas ausmachen? Ich leiste gemeinnützige Arbeit.“
Als wir auf der anderen Seite der Brücke die Treppe hinunterstiegen, verlor ich kurz den Halt. Callahan streckte die Hand aus und packte mich, bevor etwas passieren konnte, und eine Sekunde lang hing ich in seinen Armen. In seinen warmen, festen, beruhigenden Armen. Die ganze Nacht hätte ich so stehen können! Er duftete auch gut, verdammt … nach Holz und Seife.
Plötzlich griff er nach oben und zupfte mir etwas aus dem Haar …ein Blatt. Betrachtete es einen Moment und ließ es fallen. Hielt mich wieder fest. Warm lag seine Hand auf meinem Oberarm.
„Also. Ihre Freundin“, durchbrach ich die Stille. „Ähm. Sie scheint nett zu sein. Sieht nett aus, meine ich.“ Mein Herz fühlte sich an wie ein zappelnder Fisch im Todeskampf.
Callahan ließ mich los. „Sie ist nett. Aber nicht meine Freundin. Wie ich ja bereits sagte.“
„Oh.“ Ich spürte die Erleichterung bis in meine Knie, die bedrohlich zitterten. Nein. Ich
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