Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
gefährlich schwankend, herunter. »Wie bist nur da oben hingekommen?«
Josh schluchzt, er hat Mühe, überhaupt ein Wort herauszubringen. »Diese Frau, die heute früh da war …«
»Portia?«
»Sie hat gesagt, ihr braucht einen Karton von oben und ich soll ihn holen, und dann hat sie mich eingeschlossen … ist das Blut, Papa?«
»Wo war Ava?«
»Hier.« Er fängt wieder an zu weinen. »Du bist nicht gekommen und hast mich rausgeholt!« Ich halte meinen Sohn, fest, ganz fest, um ihm ein bisschen von seiner Angst zu nehmen. Über seinen Kopf hinweg starren Paul und ich einander an. Es geht alles so schnell, der Blick dauert nur eine Sekunde, aber in ihm fließt alles zusammen. Wir sind wieder auf derselben Seite. Wir schlagen dieselbe Schlacht, vereint im Kampf für das Kostbarste, das wir haben. Pauls Lippen sind ein feindseliger Strich. Seine Brust hebt und senkt sich in immer schnellerem Rhythmus. Er weiß nicht wohin vor Empörung. Schließlich schnappt er den Schläger und geht zur Treppe. »Jetzt wird Jona den verdammten Wal schlucken.«
»Warte, Paul!« Aber noch ehe ich weiterreden kann, stößt er einen Schrei aus. Eine Tür wird zugeschlagen, und ich weiß sofort, welche. Mich verlässt aller Mut. Als wir das Haus gekauft haben, war es in kleine Apartments unterteilt. Die ursprünglich großzügigen Räume waren zurechtgestutzt auf die Schlaf- und Körperpflegebedürfnisse vieler einzelner Erwachsener, die nichts miteinander zu tun hatten. Die meisten Türen haben geächzt unter dem Gewicht schwerer Schlösser, die wir entfernt haben. Nur das an der Tür zum obersten Stockwerk, in dem es nur das eine Schlafzimmer und dazu das kleine Bad gibt, haben wir gelassen, weil wir dachten, vielleicht finden unsere Gäste es nett, einen Raum so ganz für sich zu haben. Diese Tür macht uns nun zu Gefangenen.
»Portia! Lass uns raus!«, bettelt Paul, während er gleichzeitig den Raum nach etwas absucht, das schwer genug sein könnte, um die Tür damit einzuschlagen. Ava Ava Ava … Jeder Herzschlag für meine Tochter.
Paul stürmt die Treppe hinunter und versucht, die Tür einzutreten; wiederholt das Manöver mehrere Male. »Warum macht sie das? Das ergibt überhaupt keinen Sinn!«
»Doch, Paul. Begreifst du das nicht? Melody wird ermordet, und Lex und du, ihr geratet sofort unter Verdacht. Ist der Ruf der Forwood-Inhaber ruiniert, wird es nicht mehr zum letzten Teil des Verkaufs kommen. Einer von euch wird als ›bad leaver‹ eingestuft, vielleicht auch ihr beide, deshalb entfällt die Abschlusszahlung. Und schließlich hattest du ja auch eine Affäre mit ihr! Ich habe das Fuß-Video von Lex gesehen!«
Der weinrote Ballerina-Schuh bohrt sich durch meine Eingeweide, Eifersucht frisst an mir. Wieder und wieder schlage ich auf Paul ein, stoße zusammenhanglose Wortfetzen aus. Ich bin wütend und eifersüchtig, vor allem aber habe ich fürchterliche Angst. Es gibt unterschiedliche Arten von Affären: den One-Night-Stand irgendwo in der Fremde, eine flüchtige Leidenschaft, der man nachgehen kann oder nicht, oder die gefährliche, sich langsam entwickelnde Variante, die, wenn sie einmal begonnen hat, schwer zu kontrollieren ist. Melody war sein Typ, sie war eine Frau, die man bewundern und achten konnte, die für ein gemeinsames Leben in Frage kam. Da stand wirklich alles auf dem Spiel.
»Wie konntest du nur? Warum hast du mir das angetan? Uns?«
So verzweifelt wie jetzt habe ich Paul noch nie gesehen. »Es tut mir leid, Kate, es tut mir unendlich leid. An dem Abend, als ich nicht nach Hause gekommen bin, als ich den Hund überfahren habe, da habe ich nachgedacht, habe mit mir gerungen. Eine Woche davor hatte ich die Sache beendet, und ich musste das noch für mich klarkriegen. Das Ganze war ein Riesenfehler, aber ich habe es einfach nicht geschafft, es dir zu erzählen.« Er greift nach meiner Hand. »Ich habe mich geschämt. Ich mache das wieder gut, und wenn ich sonst nichts mehr tue.«
»Mama?«, sagt Josh unentschlossen. Da steht er und sieht uns zu, und tiefe Scham darüber, dass wir unsere schäbigen Geheimnisse vor unserem Sohn ausbreiten, legt sich über mich wie ein Laken. Diesen Streit müssen wir vertagen, und jetzt haben wir ohnehin ein anderes Thema.
»Lex ist tot, und du sollst auch sterben. Wenn Portia es so hinkriegt, dass es so aussieht, als hätte Gerry euch umgebracht, bleibt sie unangefochtene Chefin von CPTV.«
»Aber der Schal …«
»Hast du ihn an dem Abend umgehabt? Das
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