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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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Wir bringen das heute zu Ende. Ich strampele die Exhibition Road hinauf, vorbei an den großen, stuckverzierten Häusern jener Kaufleute, die die Welt geplündert und den ganzen Ruhm in die Museen hier in der Gegend gestopft haben. Ihr Ehrgeiz war grenzenlos, genau wie deiner es ist, Paul. Ich will sehen, wie du wieder runterkommst auf den Boden, mein glorreicher Eroberer.

42
    I ch fahre die Straße entlang, von der der kleine Durchgang zum Kanal abzweigt. Leichter Regen setzt ein. Eigentlich wollte ich mit dem Ruderboot zum Haus übersetzen, aber stattdessen ziehe ich mich schnell wieder zurück, denn da ist ein neuer Polizeikordon, in etwas größerem Abstand zum Kanal. Im Geiste sehe ich Paul vor mir, wie er – umringt von unseren Nachbarn – im Pyjama an der Hintertür steht und wild gestikulierend auf die Polizisten einredet, sich über die Verletzung seiner Privatsphäre beschwert und verlangt, dass sie die Gaffer und die Schreiberlinge auf Abstand halten. Ich weiß nicht, ob es so ist; jedenfalls werde ich wohl oder übel noch einmal den Weg über den Zaun und an der Rückseite der Gärten entlang nehmen müssen. Das ist bei Tageslicht viel riskanter, aber ich habe schlicht keine Wahl. Unter heftiger werdendem Regen steige ich auf den kaputten Stuhl, hieve mich über den Zaun, schlage mich durchs Gebüsch – wild entschlossen, zu Paul vorzudringen. Als ich endlich beim Boot und dann beim Schuppen angelangt bin, verschnaufe ich. Gegen den Durchgang am anderen Kanalufer habe ich Deckung.
    Meine Hoffnung ist, dass die Polizei hinreichend mit Raiph beschäftigt ist und ich Paul tatsächlich allein antreffe. Als ich über den Rasen zur Hintertür gehe, wird mir bewusst, dass ich jetzt jegliche Vorsicht aufgebe. Ich will da hinein und sonst gar nichts.
    Ich berühre die Klinke, und die Tür schwingt auf. Er hat sie für mich offen gelassen, er wartet auf mich. Ich bin beeindruckt von meinem schönen, luxuriösen Haus. Wer es besitzt, ist zu beneiden. Gleichzeitig sage ich mir, dass das eine Falle sein kann. Noch ist niemand über mich hergefallen, sind keine knatternden Polizeifunkgeräte zu hören. Leise gehe ich durch den Flur. Das weiche Licht verrät, dass die Vorhänge geschlossen sind.
    Die Kluft zwischen Erwartung und Realität ist variabel: ob gewaltige Schlucht oder Haaresbreite, eine Kluft ist immer da. Was ich aber jetzt, wenige Schritte weiter, vorfinde, ist so außerhalb jeglicher Vorstellungskraft, dass mein Gehirn es kaum verarbeiten kann. Auf dem Wohnzimmerteppich liegt Gerry. Sein Mantel ist voller Blut. Das Gesicht schaut zu mir, erstarrt in bodenlosem Erstaunen, so als sei ihm die Welt mit ihren dauernden Wendungen bis zuletzt ein Rätsel gewesen. In einer Hand hält er eine Rolle weißes Zaubererseil.
    Ich habe keine Zeit, mich zu fragen, was er hier macht, tot, auf meinem Teppich, denn jetzt ist von oben ein dumpfes Geräusch zu hören. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Da, noch einmal, das kommt aus dem oberen Arbeitszimmer. Ich gehe zurück in den Flur und greife mir den Kricketschläger. In dem dämmrigen Licht ist jede Türöffnung unheimlich, stellt jeder noch so vertraute Schatten eine Bedrohung dar. Jetzt höre ich ein schleifendes Geräusch. Mit großen Schritten stürme ich die Treppe hinauf in den ersten Stock. Die Tür zum Arbeitszimmer steht offen. Auf dem Boden liegen Papiere verstreut, der Sessel ist umgekippt. Leise trete ich ein, und meine Knie werden weich.
    Paul hängt am Kleiderschrank, festgemacht an etwas, das über die Schranktür gespannt ist. Seine Hände sind auf den Rücken gebunden, sein Mund mit Tesaband zugeklebt. Um seinen Hals liegt in mehreren Schlingen ein dickes weißes Seil mit ausgefransten Enden. Immer wieder tritt er gegen den Boden, an den er gerade so heranreicht. Als ich in sein Blickfeld komme, stöhnt er laut und stöhnt und stöhnt, immer lauter, immer höher, in schrecklicher Panik. Seine Augen treten hervor, er starrt mich flehentlich an.
    Ich schnappe mir den Bürostuhl und balanciere darauf, während ich versuche, das Seil um seinen Hals zu lockern, aber der Knoten ist extrem festgezurrt und gibt nicht nach. Sein Haar riecht nach Teer und Schweiß. So riecht Angst. Ich sehe mich um. Gibt es unter all den alltäglichen Gegenständen hier etwas Scharfkantiges? Schließlich nehme ich ein gerahmtes Foto von den Kindern, werfe es auf den Boden, greife mit dem Sweatshirtärmel als Schutz eine Scherbe und bearbeite damit das harte Seil oberhalb

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