Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
können sicher sein: Ich werde persönlich dafür sorgen, dass CPTV in Zukunft nicht von Leuten geführt wird, die das womöglich noch weniger können als die jetzige Mannschaft.«
»Portia.« Ich spreche den Namen aus, als wäre es das erste Mal.
»Gut, dass Sie Portia erwähnen, sie steht bei uns für Sicherheit. Sie geht grundsätzlich kein Risiko ein, das sie nicht eingehen muss.« Ich beobachte ihn sehr genau. Sein Gesicht wirkt angespannt; der Ärger über das, was da über ihn hereingebrochen ist, ist ihm deutlich anzusehen, aber nichts deutet auf ein Erkennen oder ein verborgenes Wissen hin. Der Inhalierer. Seine Worte. Sie geht grundsätzlich kein Risiko ein, das sie nicht eingehen muss.
Ein Mann im dunklen Anzug winkt zu uns herüber, versucht Raiph auf sich aufmerksam zu machen. Die Anwälte rotieren. Raiph hebt den Zeigefinger – ein Zeichen, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Was, wenn Portia doch einmal ein Risiko eingehen musste? Wie weit würde sie gehen, um ihre Interessen zu wahren? Raiph zeigt auf ein Schild, das zwischen unseren Köpfen an der Wand hängt und den Weg zum Darwin Centre weist. »Wer sich nicht anpasst, stirbt, das war Darwins große Entdeckung.« Raiph hustet. »Und meine.«
In meinen Ohren beginnt es zu rauschen, und einen Augenblick fürchte ich, ich könnte umkippen. Gleichzeitig werde ich wütend. »Nein, Raiph. Die große Entdeckung ist: Wer nicht kämpft, stirbt.« Ich ziehe eine der unbenutzten Speicherkarten aus Lex’ Wohnung aus der Tasche. Er streckt die Hand danach aus, aber ich gebe sie ihm nicht. »Was kriege ich dafür?«
»Sie sind nicht in der Position, etwas zu verlangen.« Wir fixieren einander. Und nach ein paar Sekunden verändert sich seine Miene. »Okay.« Er scheint sich zu entspannen, der empörte Ausdruck verschwindet. »Wir machen es sportlich. Wir spielen das Darwin-Spiel. Sie haben fünf Minuten, dann rufe ich die Polizei.«
Ich will schon gehen, doch er packt meinen Arm und hält mich zurück, sieht mich durchdringend an. »Nicht so schnell! Was hat es auf sich mit diesem ›Bluthund‹?«
Da steht er nun, umgeben von Millionen Jahre alten Fossilien, die Zeugnis ablegen von ihrer Unfähigkeit, sich den Zeitläufen anzupassen. »Das bin ich.«
Ich mache mich auf den Weg den Gang hinunter, folge den Schildern in Richtung Ausgang, zügig, aber auch nicht so schnell, dass ich auffallen würde. Mir ist sehr wohl bewusst, dass Raiphs fünf Minuten vielleicht nur zwei sind. Ich bin jemand, der an Statistiken und Computermodelle glaubt, und trotzdem habe ich eine Entscheidung getroffen, um derentwillen Eloide stolz auf mich wäre – ich folge meinem Bauch. Waren deine Interessen am Ende die gleichen wie Pauls, Portia? Das Alibi, das Treffen so spät am Abend … Sowie ich um die Ecke bin, renne ich los. Ein Stück weiter vorn sehe ich eine Wolke aus bunten Ballons den Gang entlangtänzeln – und darunter Eloide.
»Die Allergien waren ein Reinfall. Für die Dinger hier habe ich ein Vermögen ausgegeben. Hab sie einem Typen vor dem U-Bahnhof abgekauft.« Sie mustert mich kurz. »Was ist los?«
»Portia …« Mehr bringe ich nicht heraus.
»Kate?«
Klaustrophobie kriecht in mir hoch. Raiph telefoniert bestimmt schon, ich muss hier weg, weit weg!
»Kate!«
Ich renne weiter in Richtung Tür, will nichts als raus hier, sehe den Ausgang und dahinter eine kleine Menschentraube. Also verlangsame ich meinen Schritt wieder, ziehe mir das Cap tief in die Stirn, schiebe die Hände in die Taschen und passiere die Tür.
Als ich das Fahrradschloss aufschließe, ist mir schlecht. Ich mache mein Handy wieder an. Es wird Zeit, dass ich mich mit Paul befasse. Mit ihm hat das alles angefangen, und mit ihm wird es enden.
»Verdammter Lügner!«, schreie ich in seine Mailbox. »Ich habe das Video von Lex gesehen. Ich weiß, was du gemacht hast. Geh endlich ans Telefon!« Ich pfeife drauf, dass vielleicht bald ein Polizist mein Handy in der Hand hält; dass ich jetzt, da ich es benutze, geortet werden kann. Mein Drang, Dampf abzulassen gegenüber dem Mann, den ich einmal geheiratet habe, mit dem ich mich fortpflanzen und alt werden wollte, überlagert jede vernünftige Überlegung. Ich halte die Fahrradgriffe so fest gepackt, dass meine Hände taub werden. Nach einer Weile höre ich den Ton, der eine eingehende SMS meldet.
»Bitte, Eggy, komm nach Hause. Ich bin allein.«
Hier geht es um dich, Paul Forman, um mich und unsere Familie. Nichts sonst zählt.
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