Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Köln ins Leben rief, hatte ich bereits einige ungegenständliche Arbeiten angefertigt. Dass mein Vater auch noch meine Beziehung zu meinem Jugendfreund Benno missbilligte, gab schließlich den Ausschlag dafür, dass ich mein Elternhaus verließ und aus der Kölner Gegend fortging. Mein Vater hatte mir Stubenarrest verordnet, als er von meiner Freundschaft mit dem jungen Mann erfuhr. Ich war neunzehn und empfand das als entwürdigend.
Benno war ein gelernter und sehr guter Fotograf, er nahm unter anderem meine Bilder und Zeichnungen auf. Später wurde er auch zu einem Maler und noch später zum Kunstverweigerer. Doch er war der Sohn eines Friseurs, und da hatte mein Vater einen Dünkel: »Friseure, Offiziere und Schauspieler kommen mir nicht ins Haus.« Um ihm zu trotzen, musste es natürlich gerade ein Friseurssohn sein, mit dem ich mich zusammentat. Denn seit mein Vater unsere Familie auseinandergerissen hatte, revoltierte ich gegen ihn. Es war aber auch eine Revolte gegen alles, was die Erwachsenen sagten. Ich wollte mir keine Vorschriften machen lassen.
Wir kamen ja aus einer Kriegszeit, einer Chaoszeit. Wir hatten keine Orientierung, wussten nicht, wer Freund oder Feind war. Das uns früher eingeimpfte Feindbild war zusammengebrochen, als die Amerikaner uns vom Hunger erlösten und Bonbons verteilten, obwohl sie vorher unsere Städte zerbombt hatten. Diese absurde Situation hatte ich mit zehn Jahren erlebt und von da an keinem Erwachsenen mehr etwas geglaubt. Und das verband mich mit Benno. Wir waren beide äußerst skeptisch, uns konnte man nichts vormachen.
Wir wollten unser Leben ganz der modernen Kunst widmen und dafür die noch junge Hochschule für Gestaltung in Ulm besuchen. Benno hatte dort immerhin schon seine Ausbildung als Fotograf vorzuweisen und bekam sofort eine feste Anstellung: Er sollte die Fotowerkstatt einrichten. Ich dagegen hatte nur meine Arbeiten aus der Schule im Gepäck und musste mir meine Aufnahme »ersitzen«, da ich weder ein Abitur noch irgendeine Art abgeschlossene Lehre vorzuweisen hatte. Ich wartete drei Tage im Büro von Max Bill, dem Rektor der Hochschule, bis er endlich meine Mappe ansah. Nach dem zehnten Blatt sagte er schließlich: »Sie können bleiben.« Ich durfte den ersten Grundkurs besuchen, der in der gerade erst errichteten Hochschule auf dem Kuhberg stattfand. Der Mathematiker Hermann von Baravalle und der Philosoph Max Bense wurden dort zu meinen wichtigsten Lehrern.
Nach einem Jahr fühlten Benno und ich uns von dem recht dogmatischen Geist in Ulm zu eingeengt und zogen weiter an die Staatliche Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, um dort unsere Ausbildung fortzusetzen. Zugleich versuchten wir, uns eine Existenz als freie Künstler aufzubauen – wir mussten schließlich von irgendetwas leben. Und so pilgerten wir mit einer Mappe mit unseren Bildern unter dem Arm in bürgerlichen Wohnvierteln von Haus zu Haus, um sie zum Verkauf anzubieten.
Wir signierten die Arbeiten aber immer erst, wenn wir festgestellt hatten, wen von uns beiden der jeweilige Interessent bevorzugte. Es muss also in Saarbrücken einige falsch signierte Werke von uns geben. 1956 gingen wir zurück nach Köln und verkauften auch dort unsere Bilder. Das konnten wir nun schon ganz gut. Als wir ein bisschen Geld verdient hatten, mieteten wir ein Atelier in der Salzgasse.
Obwohl mir bald klar wurde, dass Benno und ich als Mann und Frau nicht zusammenpassten und unsere Beziehung ungesund war – er litt unter Wutausbrüchen, Zornesattacken und schreckte auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück –, war es zu spät für eine Trennung. Meine Unschuld war dahin. Und für entjungferte Mädchen gab es damals nur wenige Alternativen, überspitzt gesagt: Kloster oder Bordell. Es waren prüde Zeiten. Es hieß also durchhalten.
Benno hatte ziemlich schnell andere Frauen. Das Kapitel Sexualität war damit zwischen uns abgeschlossen. Ich war erleichtert und steckte meine ganze jugendliche Vitalität in die Malerei. Als Künstler boten wir uns gegenseitig noch manche Anregung, teilten auch viele Interessen miteinander: Musik, Filme, experimentelles Theater. Ich fand ihn als Querdenker noch spannend. Wir hielten beide die Augen offen für alles, was sich in der internationalen Kunstszene tat. Denn so viel war uns klar: Nach den Katastrophen von Nazizeit und Zweitem Weltkrieg, nach all den demoralisierenden Erfahrungen, von denen die Älteren gezeichnet waren, musste es geistig und
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