Ich haette dich geliebt
Entferntesten das Wasser reichen. Ganz klar war ich selbst die Hübschere. Und wenn sie Charisma besaß, hatte sie es gut unter ihrem blondierten Vogelnest versteckt. Es machte mir trotzdem nicht das Geringste aus. Diese Begegnung hinderte mich nicht am Essen.
Ich schaufelte, ohne einmal vom Teller aufzuschauen, alles hungrig in mich hinein. Der Appetit war mir nicht vergangen. Warum auch? Diese Flachzange hatte nicht mal den Anstand, ordentlich zu grüßen.
--Clara, komm noch zu Dir. Wo bist Du?--
Das war Luise.
--Im Tinto Rosso.--
--Bin in zehn Minuten da.—
Damit hatte ich nicht gerechnet. Sollte man den Kuss jetzt erwähnen oder lieber nicht oder doch? Es vergingen keine fünf Minuten, und Luise war zu sehen. Sie trug das graue Kleid vom Mittwoch. Es stand ihr wirklich ausgesprochen gut. Ich wusste nicht, ob ich neidisch sein sollte, oder mich an dem Anblick erfreuen.
„Na.“
Luise schaute mich verlegen an und setzte sich. Als der Kellner kam, bestellte sie ein Glass Wein.
„Du kannst schon wieder trinken?“
„Ja klar, dann drück ich dir wieder einen auf.“
„ ...?“
„Einen Kuss, Schnarchnase.“
Das hatte gesessen. Ich grinste und Luise zog einen Flunsch.
„Was war denn los?“
„Kompliziert. Pass auf: Der Punkt ist folgender. Als ich ihn kennengelernt habe, war er verheiratet. Zwei Kinder. Er hat sie wegen mir verlassen. Verstehst du? Ich fühle mich verantwortlich. Was soll ich sagen. Ich mag ihn. Er ist für mich da. Er macht mir keine Vorhaltungen, wenn ich dauernd unterwegs bin. Nur gestern eben. Er hat sich gesorgt und ... ach ich weiß nicht ... vielleicht fühlt er sich bedroht, weil er dich nicht kennt. Deinen Namen noch nie gehört hat. Und ich habe ihm so begeistert von dir erzählt. Was weiß ich. Er hat 'nen siebten Sinn für sowas.“
„Für was?“
„Na, für Verbindungen, die stark sind.“
„Und unsere Verbindung ist stark?“
Ich stellte mich doof.
„Ja, etwa nicht?“
„Doch, war nur Spaß.“
Das Schweigen danach war eine Sekunde zu lang. Es war eine komische Stimmung. Ich fühlte mich zu Luise hingezogen, und immer wenn Luise diesen Mikkel erwähnte, zuckte ich zusammen. Am liebsten hätte ich auch Wein getrunken, aber das kam jetzt nicht in Frage.
„Und morgen fährst du?“, fragte Luise.
„Ja ich muss mal ein bisschen Geld verdienen. Sonntag hab ich im Sender zu tun.“
„Schade. Dann komm ich dich mal besuchen?“
„Machst du ja sowieso nicht.“
„Hast du 'ne Ahnung.“
Luise nahm meine Hand so beiläufig wie eine Zigarette. Wie sollte man das einordnen? Freundschaftlich? Ich wusste, dass Luise die Steifheit und Unsicherheit meiner Hand gespürt haben muss, denn sie zog ihre zurück.
Als wir uns auf den Weg zur Pension machten, kam es mir unwirklich vor, jemals hier gewesen zu sein. Nur meine Umrisse und die von Luise waren scharf, der Rest schwammig und in fahles Dämmerlicht getaucht.
„Heute komme ich nicht mit nach oben.“
Luise feixte, und ich musste wegschauen, weil ich rot wurde.
„Und morgen?“, fragte Luise und meinte wahrscheinlich das Frühstück.
„Ich fahre nach dem Aufstehen. Hab dann keine Ruhe mehr.“
„Kann ich verstehen. Ich verfolge dich. Ich werde kommen, ob du willst oder nicht!“
„Na dann! Wir werden sehen.“
Ich hätte gerne etwas anderes gesagt: Dass ich mich freuen würde, zum Beispiel. Aber es kamen nur pseudocoole Sprüche über meine Lippen. Luise schien ein bisschen enttäuscht.
Die Umarmung war trotzdem innig.
„Bis bald“, sagten wir beide gleichzeitig und mussten lachen. Luise ging und drehte sich noch fünf Mal um. Jedes mal winkte ich ihr hinterher.
Der Koffer war schnell gepackt. Das Gesicht abgeschminkt. Ich verspürte nicht die geringste Müdigkeit. Nicht nach so viel Schlaf am Nachmittag. Der Brief hatte noch einige Seiten. Ich wollte weiterlesen und hatte gleichzeitig Angst vor dem Ende. Obwohl ich das Ergebnis dieser Geschichte bereits kannte. Denn das war meine Geburt. Aber warum hatten sich Marlene und Louis dann in aller Endgültigkeit getrennt?
Kannst Du Dir das vorstellen? Ich war ein paar Tage auf der Intensivstation. Mit Schläuchen in jeder nur erdenklichen Körperöffnung. Multiples Organversagen. Aber ich bin ein zäher Kerl.
Die wollten mich da behalten. Aber da werde ich wirklich kirre. Lauter Kranke, und alle tragen diese schrecklichen Bademäntel. Soll man sich so gehen lassen? Ich kann das nicht mitansehen – und schon gar nicht mich in so einem
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