Ich haette dich geliebt
wieder erschreckte mich ihre Angst. Ich weiß, dass sie sich schämte, mich zu lieben. Sie verstand sich selber nicht. Aber solange alles geheim war, konnte sie irgendwie damit leben. Ich sagte ihr, dass alles besprochen sei und kein Grund zur Sorge bestand.
Schlafen konnte ich natürlich nicht.
Obwohl ich nach so vielen Jahren Dinge erfuhr, die mein Leben auf den Kopf stellten, die mein Puzzle vervollständigten, hatte ich nur einen Gedanken: Luise, Luise, Luise. Ich wollte nur, dass sie da neben mir saß. Sonst nichts. Sie hätte genau das Richtige gesagt, mich beruhigt und meine Füße liebevoll in Beton gegossen, damit ich nicht den Boden verlor. Es gab zu denken, wie sehr ich mich nach ihr sehnte.
Der Witz war, das Schicksal spielte gegen uns. Es waren keine Kleinigkeiten. Kurze Zeit nach dem Treffen mit Emma sollte ich eine Schulung besuchen. Irgendwo in einem anderen Kaff in einem Fortbildungszentrum. Ich weiß nicht mehr, wo genau, nur dass es um so eine blöde private Vermögensanlage ging. Ich hatte keine Lust, drei Tage von Marlene getrennt zu sein, das war alles. Sonst wäre es eine Abwechslung zum stupiden Bankalltag gewesen. Ich dachte nicht weiter drüber nach. Bis ich erfuhr, dass Emma mitkommen sollte. Schon wieder Emma!
Sie zwinkerte mir dauernd zu, nach unserem Treffen, und ihre Schüchternheit war wie weggeblasen. Ich wich ihr geschickt aus und sagte nur das nötigste zu ihr. Wahrscheinlich konnte sie die kurze Reise kaum erwarten.
Anfangs dachte ich, sie hätte das eingefädelt. Aber dem war nicht so. Baumann, mein Ausbilder, hatte das arrangiert. Wir sollten mit Emmas Auto fahren. Ich war fertig mit den Nerven. Ihr ständiges Strahlen, wenn sie mich sah, traf mich wie ein Feuerpfeil. Sie war mir ein Gräuel geworden.
Als ich Marlene erzählte, was ich Schönes vor mir hatte, lachte sie anfangs sogar.
„Oh Gott, die wirst du einfach nicht los.“
Mir war nicht zum Lachen.
Sonst lebten wir in unserer kleine Welt. Ich las Marlene oft vor. Ich konnte das gut. Verschiedene Stimmen nachmachen und so was. Ich las Marlene aus Klassikern vor, die ich wirklich gern hatte. Ein bisschen wollte ich sie natürlich auch beeindrucken. Welcher Zwanzigjährige las schon Dostojewski? Ihr ging es, glaube ich, nur um das Vorlesen an sich.
Es war so schön, Marlene verträumt zu mir aufschauen zu sehen, wie sie an einer Schokolade knabberte und ab und zu lächelte. Ich konnte mir nie vorstellen, dass andere das auch erlebten. Wenn ich da an meine Eltern gedacht habe. Sie waren ein Paar gewesen. Aber sie haben nicht zusammen gelacht. Nur wenn dritte dabei waren. Mein Vater rührte meine Mutter in der Öffentlichkeit nicht an. Sie ihn schon. Aber freundschaftlich. Nicht mal neckend.
Aber jeder hat seine eigene Art zu lieben. Oder? Damals stellte ich unsere Liebe über alles in der Welt. Wir waren die Außenseiter im All der Unwissenden, oder so ähnlich.
Vielleicht zog gerade dieses Glück in meinen Augen Emma an. Vielleicht wollte sie sich auch so fühlen. Unterbewusst spürte sie vielleicht meine Fähigkeit zu lieben. Auch wenn mir diese Fähigkeit später abhanden kam, war ich damals dank Marlene das Glück in Person.
Ich weiß es bis heute nicht. Ich wurde nicht schlau aus diesem Mädchen. Einerseits lieb und süß, andererseits kam sie mir berechnend vor. Und ich meine, manchmal einen kleine fiese Zuckung in ihrem rundlichen Gesicht gesehen zu haben. Das wurde alles unwichtig. Später. Die Welt macht, was sie will. Alles kann man nicht beeinflussen. Oder doch?
Die Autofahrt zu dieser Fortbildung verlief zu meiner Überraschung ganz angenehm. Emma erzählte ein bisschen, was sie Neues von Baumann gehört hatte. Und wenn ich auch nur ein Lächeln andeutete, war sie zufrieden. Ihre Geschichten schienen mir zu gefallen. Ich hatte mir überlegt, Emma zu verdeutlichen, dass ich vergeben war. Ganz egal, an wen. Vielleicht würde sie das endlich abschrecken. Kurz bevor wir ankamen, ging ich in Angriffsstellung.
„Hoffentlich kann man da telefonieren. Ich muss meine Freundin anrufen.“
So etwas ähnliches sagte ich. Emma starrte geradeaus und sagte kein Wort. Ich konnte sehen, dass ihr Brustkorb sich nicht mehr bewegte. Sie hörte tatsächlich auf zu atmen.
Als ich wieder auf die Straße schaute, sah ich, dass wir den Mittelstreifen der Straße rechts von uns hatten. Sie fuhr auf der falschen Seite. Ich bekam Panik. Ich schrie sie an, rüber zu fahren. Sie zuckte kurz und kam wieder auf unsere Spur
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