Ich haette dich geliebt
wurden wir entdeckt. Von Emma. Ich weiß nicht, ob jemand anders es nicht schon längst ahnte. Für Emma war es offensichtlich ein Schock.
Im Winter war nichts los im Radverleih.
Wir machten es uns manchmal mit einem Heizlüfter im Schuppen gemütlich. In Decken gehüllt warteten wir auf Kundschaft, wobei wir die Tür schlossen und man an einer Glocke läuten musste. Es war ein sehr kalter Tag. Wir hatten ein paar Räder auf Vordermann gebracht und eingefettet. Es kamen ohnehin nur Leute, die kurz mal wohin mussten. Keine Ausflügler oder so. Klar, bei dem Wetter! Wenn es klingelte, ging Marlene raus ... und ich tat so, als ob ich etwas im Schuppen richtete. Ich mimte ihre Aushilfe, was ich ja irgendwie auch war.
An diesem Tag jedenfalls regnete es so stark, dass es schon mit einem Wunder hätte zugehen müssen, wenn jemand gekommen wäre. Marlene war unvorsichtig und ließ die Tür offen. Wir alberten herum. Ich warf uns eine Decke über den Kopf und küsste sie, während sie sich scheinbar aus meiner Umarmung winden wollte. Als Marlene uns das filzige Ding von den Köpfen zog, stand da Emma. Sie starrte uns an.
Sie stammelte etwas von ihrem Auto und dem kaputten Motor. Sie wollte, glaube ich, telefonieren. Hilfe holen. Sie war in der Nähe liegengeblieben.
Ist das Zufall, Clara? Irgendwann kommt alles raus. Emma lief davon. Marlene sah mich fragend an.
„Was war das denn für ein Auftritt?“
„Emma, das war DIE Emma.“
Marlene war außer sich. Sie überlegte sich sämtliche Maßnahmen inklusive Bestechung, damit Emma nicht plauderte. Es dauerte Stunden, bis ich sie beruhigen konnte.
Als ich am nächsten Tag in die Arbeit ging, war mir verständlicherweise unbehaglich zumute. Emma ignorierte mich. Das erste Mal seit zwei Jahren ignorierte sie mich. Ich konnte es kaum glauben. Aber ich traute dem Frieden nicht. Ich sprach sie an. Nach drei Tagen.
„Emma, ist das eine Art, nicht mehr zu grüßen?“, fragte ich sie so sanft wie möglich.
„Was meinst du? Ich hab dir zugenickt.“ Sie drehte sich weg.
„Du weißt, was ich meine. Es ist, weil du mich gesehen hast, nicht wahr?“
„Ach, das meinst du!” Langes Schweigen. „Vielleicht, willst du darüber reden? Heut' abend?“
Ich saß in der Scheiße. Zwickmühle. Einerseits wollte ich es mir nicht verderben, mit Emma. Sie hatte mir geholfen mit meinen Eltern. Ich war gemein zu ihr gewesen. Und außerdem wusste ich, dass Marlene Angst hatte, dass unsere Beziehung stadtbekannt wurde. Andererseits graute mir vor einem Treffen. Emmas Frage war unangenehm eindringlich. Fordernd. Ich sagte zu. Dieses eine Mal. Vielleicht würde es etwas auflösen. Ich hoffte das Unmögliche.
Noch von der Bank aus rief ich Marlene an. Sie wollte unbedingt, dass ich Emma traf. Solche Angst hatte sie, dass wir aufflogen.
Also ging ich nach der Arbeit mit Emma in ein Lokal. Wir aßen nichts. Ich trank ein Bier und sie einen Saft, glaube ich. Über Marlene wollte sie keine Sekunde reden. Über das, was sie gesehen hatte, schon gar nicht. Ich war verwirrt. Sie schien überschwänglich und geradezu aufgedreht. Sie flirtete sogar mit mir. Als sie ihre Hand auf meine legte, wurde es mir zuviel. Ich zog sie weg. Sie schaute erschrocken drein und wurde ernster. Ihr Jungmädchen-Gesicht sah plötzlich alt aus.
„Was hast du gegen mich?“, fragte sie.
„Nichts, was sollte ich gegen dich haben?“
Ich blieb ruhig.
„Du hast mich doch deinen Eltern vorgestellt. Wir arbeiten zusammen und verstehen uns so gut. Warum gehst du mir aus dem Weg?“
Ich wusste nicht, ob sie das jetzt ernst meinte. Also, ob das wirklich ihre Realität war.
„Emma, ich habe mich bedankt für deine ...“ Sie ließ mich nicht aussprechen.
„Wolltest du mich ausnutzen?“
„Nein, ich ...“
„Na, siehst du. Das weiß ich doch. Wir mögen uns“, unterbrach sie mich erneut.
Ich war irgendwie in einer Sackgasse und wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie schaute mich mit ihren kleinen faltenlosen Augen an. Ich wollte weg. Ich sagte ihr, dass ich müde sei, und sie zeigte vollstes Verständnis und bestand darauf, dass sie mich zum Wohnheim fuhr. Ich wollte eigentlich zu Marlene. Nur konnte ich das jetzt kaum sagen.
Schrecklich.
Als wir vor dem Wohnheim ankamen, rief ich ihr ein Tschüss zu und stieg so schnell wie möglich aus. Dann wartete ich hinter der Tür, bis Emmas Auto weg war. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr zu Marlene. Sie war wach und löcherte mich mit Fragen. Immer
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