Ich haette dich geliebt
große Angst, dass jemand von uns erfuhr.
Ich ging ja mittlerweile bei ihr ein und aus. Ob mich anfangs jemand sah, weiß ich nicht genau. Ich passte schon auf. Den Jungs im Wohnheim erzählte ich, ich hätte eine Freundin mit eigener Wohnung. Das beeindruckte die Deppen schon mal, und sie fragten nicht weiter. Meine Eltern waren derweil in seliger Verzückung und wahrscheinlich freudiger Erwartung, blonder Enkelkinder von Emma und mir.
Ich ging in die Bank. Marlene in ihren Radverleih. Am Abend kochten wir uns was, legten Patiencen oder kuschelten uns aufs Sofa und schwiegen einfach. Am Wochenende machten wir Ausflüge. Alles oberspießig.
Es war schön, und ich konnte es jeden Tag kaum erwarten, Marlene zu küssen oder ihre Stimme zu hören. Wir waren verliebt über beide Ohren, und ich dachte, wir würden immer so weiterleben.
Nur Emma machte mir Sorgen. Ich spürte ihre Blicke auf mir, wenn ich in der Bank war und sie mich im Sichtfeld hatte. Sie suchte meine Nähe. Ab und zu redete ich mit ihr. Bewusst distanziert, um ihr keine Hoffnungen zu machen. Das dumme Ding schien ganz verrückt nach mir. Versteh es einer oder nicht.
Als es kalt wurde und langsam herbstelte, fragte sie mich ein paar Mal, ob sie mich mitnehmen sollte. Sie hatte ein altes Auto. Wohl von ihren Eltern bekommen, denen sie aber sonst herzlich egal war. Ich verneinte jedes Mal. Stattdessen mummelte ich mich ein und fuhr mit dem Fahrrad zu Marlene, und immer seltener ins Wohnheim. Kurz vor dem Haus, in dem Deine Mutter wohnte, drehte ich mich immer um und schaute, ob mich jemand sah. Komischerweise fühlte ich mich sicher. Einmal sah ich den alten grauen Lada mit Emma darin, aber ich dachte, das hätte nichts zu bedeuten. Konnte ja sein, dass sie wo hinfuhr.
Am nächsten Tag sprach sie mich dann aber an.
„Wo bist du gestern hingefahren? Ich hab dich zufällig gesehen.“
Emma wirkte freundlich.
„Ich musste noch etwas besorgen.“
„Ach ja, was denn?“
Fast unmerklich wurde ihre Stimme schriller.
„Nichts besonderes.“
Ich drehte mich weg und tat beschäftigt.
Nach einer Weile fragte Emma mich wieder.
„Soll ich dich heut' abend mitnehmen? Es soll regnen.“
Ich war endgültig genervt.
„Nein, Emma, danke. Ich brauche die Bewegung.“
Mit hängendem Kopf trottete Emma davon. Mich überkam eine Ahnung, dass das noch nicht alles war.
Marlene wurde unruhig, als ich ihr davon erzählte.
„Die ist in dich verliebt?! Das ist doch klar.“
Ich verneinte, obwohl ich es besser wusste, aber ich hatte in meinem Glück keine Lust auf Störenfriede.
Langsam, aber sicher, wurde Emma immer penetranter. Sie fragte mich immerfort nach meinen Eltern und brachte mir Brote mit, die ich ablehnte. Sie blieb immer mindestens so lange in der Bank wie ich.
Nach und nach überkam mich ein Unwohlsein in ihrer Nähe. Ich machte mir auch so meine Gedanken. Vielleicht sollte ich eine andere Strategie fahren. Vielleicht konnte ich sie loswerden, indem ich wirklich unfreundlich wurde. Direkter. Ich begann, sie vollends zu ignorieren. Und wenn sie mich ansprach, reagierte ich flapsig und arrogant. Ich konnte sehen, wie sie weich wurde. Sie war kurz vorm Aufgeben.
Dachte ich.
Bis mich meine Elterm anriefen.
„Louis, na, das ist ja eine Überraschung. Emma und du, ihr kommt uns besuchen, am Wochenende?“
Ich war so schockiert, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Mir war sofort klar, dass Emma das eingefädelt hatte.
„Vielleicht. Wir haben überlegt. Ich weiß nicht, ob ich weg kann.“
Ich stammelte irgendwas in der Art.
Am nächsten Tag war sie fällig.
„Warum hast du das gemacht?“ Ich schaute sie so wütend an, dass sie erschrak.
„Ich wollte nur deinen Eltern eine Freude machen. Du hast doch gesagt, sie würden sich sorgen.“
Ich sah, wie Tränen in ihr aufstiegen. Ihr Unterkiefer zitterte. Das machte mich nur noch rasender.
„Ach so, na dann ist ja gut“, sagte ich zynisch, um jetzt erst richtig laut zu werden.
„Und da dachtest du, ich ruf mal Louis' Eltern an und mache ihnen die kleine Freude, ihnen einen unabgesprochenen Besuch anzukündigen?“
Jetzt weinte sie tatsächlich.
„Mach das nie wieder. Hörst du?“
Ich erhob die Hand, als holte ich zu einem Schlag aus. Sie zuckte zusammen. Ich bereute es sofort.
Ich bin sonst ein Schaf. Zahm wie nichts Gutes. Aber es war so eine Art Ohnmacht. Ich fühlte mich seltsam bedroht.
Nach dieser Episode war mal Ruhe im Karton. Ich begegnete Emma mit Vorsicht,
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