Ich haette dich geliebt
sich ausbreiten konnte. Der Platz war von allen Seiten einzusehen, aber es fuhr niemand dort entlang, denn der Weg führte über einen Schleichpfad, auf dem man absteigen musste. Wir waren hundertmal dort gewesen. Wir aßen und lachten und küssten uns. Marlene neckte mich, und ich warf ihr dafür Grashalme in den Ausschnitt.
Bis ich Emma sah, die, stocksteif, schlecht versteckt hinter einem Baum stand und uns beobachtete. Ich erschrak. Sie erschrak. Dann lief sie weg.
Wir packten unsere Sachen zusammen. Marlene aufgeregt wie immer, wenn sich eine vermeintliche Enttarnung an-deutete. Emma musste uns gefolgt sein. Etwas anderes war kaum möglich. Ich wollte sie zur Rede stellen. Marlene nahm die Sachen mit nach Hause, und ich fuhr direkt zu Emma. Ich klingelte Sturm. Innerlich schlug mein Herz bis zum Hals.
„Was willst du?“
Emmas Stimme klang belegt. Sie öffnete die Tür einen Spalt.
„Wieso spionierst du mir nach?“
Ich fragte ruhiger, als ich es vorhatte.
„Du hast mich belogen. Du HAST eine Freundin. Mit mir spielst du nur. Du hast mich zum Gespött der Leute gemacht ... Diese Frau ist alt. Zu alt für dich. Ist dir das peinlich, Louis? Musst du dir ein dummes Mädchen suchen, die als deine Freundin herhält? Ich dachte, zwischen uns könnte etwas entstehen. Etwas sein. Ich hasse dich. Aber ich hasse mich noch mehr. Für meine Dummheit. Mach's gut, Louis. Ich werde dich nicht verraten, wenn das deine Angst ist. Erstick in deinem Geheimnis.“
Ich erinnere jedes einzelne Wort.
Sie hatte Recht. Ich hatte sie ja ausgenutzt. Es war falsch gewesen, sie da mit reinzuziehen. Doch das Ganze hatte sich verselbstständigt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Emmas Gefühle für mich mehr waren, als eine Schwärmerei. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich derartig reinsteigerte. Ich hielt das für unmöglich. Selbst als sie mir die Dinge an der Tür sagte, dachte ich, die spinnt. Ich habe ihr keine Hoffnungen gemacht.
Aber hatte ich das wirklich nicht? Immer wieder kleine Gesten. Meine Eltern. Die Lüge über meine Freundin. Konnte man daraus schließen, dass man geliebt wurde, oder nur gemocht? Emma hatte es so gesehen.
Wie ein begossener Pudel schob ich mein Fahrrad nach Hause. Nur noch ein halbes Jahr, dachte ich. Dann ist alles vorbei und ich würde Emma nie wieder sehen.
Das war mir zuviel. Ich war mir sicher, dass diese Emma ein echtes Problem hatte. Selbst wenn Louis sie ausgenutzt hatte, war es auch so, dass Emma selbst ihren Teil dazu beigetragen hatte. Sie hatte den Bogen mit ihrer Spioniererei überspannt. Meine Mutter musste allerdings in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit gewesen sein, als sie vorgeschlagen hatte, Emma als Louis' Freundin auszugeben. Emma war offensichtlich nicht ganz bei sich. Es war dumm gewesen, das Mädchen zu benutzen.
Ich brauchte eine Pause und musste an die frische Luft. Ein unerklärliches Bedürfnis zog mich zu dem Laden, in dem meine Mutter gearbeitet hatte. Es war erst zwei Uhr. Das Geschäft würde noch offen sein.
In den Schaufenstern herrschte das altbekannte Chaos. Toaster, Lebensmittel, Wischmopp und Hauslatschen in unwillkürlichen Arrangements zusammengestellt. Ich merkte, dass ich unwillkürlich lächelte. Als Kind hatte ich mich selbst in das Schaufenster gestellt. Wie eine Puppe. Unter dem bunten Wirrwarr fiel das den meisten wirklich nicht auf. Meine Mutter und ich machten uns einen Spaß daraus, wer es als erstes merken würde.
Ich ging hinein. Eine Glocke ertönte. Es roch nach Plastik, wie in den Billig-Läden der Asiaten. Neben dem Tisch mit der Kasse saß eine Frau. So um die sechzig. Sie trug eine blaue Nylon-Kittelschürze mit einem undefinierbaren Muster und ihre grauen dicken Haare waren zu einem Dutt fest gesteckt.
„Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Frau und sah mich eindringlich an.
„Du bist doch Clara? Ich kenne dich doch? Die Tochter von Marlene? Kannst du dich erinnern? Ich hab früher schon ein paarmal ausgeholfen, als sie noch hier gearbeitet hat, deine Mutter.“
„... ich weiß nicht ...“
„Na klar, ich kenn dich doch noch als Kind. Marlene hat dich vergöttert. Einzelkinder haben's immer besser. Ich war eins von acht. Da fällt man nicht weiter auf. Auch nicht schlimm.“
Die Frau lachte in sich hinein.
Ich erinnerte mich dunkel. Meine Mutter hatte sie mir irgendwann vorgestellt. Aber das musste ewig her sein.
„Ich glaube, ich weiß schon. Ich glaube ich, weiß schon. Sie haben
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