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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Haferburg
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meinem Po. Aber viel zu groß war sie mir nicht. Ich zog die Jacke wieder aus und hängte sie über einen Stuhl.
    Draußen regnete es. Es bestand also kein Zwang für irgendwelche Unternehmungen außerhalb der Wohnung. Ich öffnete die Fenster und ließ den Geruch von nassem Gras herein. Mit einer dünnen Wolldecke auf den Beinen legte ich mich mit dem dicken Umschlag auf das Sofa.
    Ich nahm ihn in die Hand und befühlte ihn. Darin war die Geschichte meiner Eltern. In einem hässlichen Umschlag auf dünnem Papier. Und nur Worte, nichts als Worte, die vorher real waren und vielschichtiger, als man es wahrscheinlich jemals formulieren würde können. Ich war froh, dass ich den Brief nicht auf einmal durchgelesen hatte. Die Dosierungen hatten mir geholfen, nicht durchzudrehen und mir langsam ein Bild zu machen. Alles andere hätte mich vielleicht erdrutschartig verzweifeln lassen. Immerhin stellte sich mir mein Vater vor. Und nicht nur das. Ich musste die Sicht auf meine Mutter hinterfragen. Obwohl sie mich nicht hatte teilhaben lassen, fühlte ich mich schuldig. Ich hatte ihren Liebeskummer und ihre Sehnsucht vielleicht einfach übersehen. Dieses Gefühl war nur schwer zu ertragen, denn ich konnte daran nichts mehr ändern.

    Also, Clara, jetzt muss ich mich beeilen mit meiner Geschichte. Ich spüre, wie meine Kraft sich so langsam verabschiedet. Ich kann fast nichts mehr essen. Schmeckt alles wie Pappe. Und das Morphium, also die Dosis, können sie ja auch nicht ewig erhöhen. Irgendwann streikt der Körper. Es ist pures Gift. Aber es macht es mir leichter. Ins Krankenhaus bekommen mich jedenfalls keine zehn Pferde mehr. Da kann ich auch gleich hier sterben, in meinem Bett.
    Johanna ist jetzt fast die ganze Zeit da. Wir haben so eine Art Waffenstillstand. Ich glaube, ich tue ihr leid. Das kann nur bedeuten, dass es bald zu Ende geht.
    Ich bin froh, dass Marlene mich so nicht sehen muss. Abgemagert bis auf die Knochen. Ich sehe aus wie mein eigener Opa. Na, jedenfalls bräuchten wir uns nicht mehr zu verstecken, da ich sicher älter aussehe als sie jemals.
    Hatte sie ihre schönen dicken Haare noch mit achtzig Jahren? Ihren aufrechten Gang? Das habe ich mich gefragt. So oft. Die Gesichter verändern sich ja nur langsam. Ich bin sicher, sie war wunderschön. Ich jedenfalls sehe furchtbar aus. Daran gibt es nichts zu rütteln. Früher war das mal anders. Sonst hätte sich Marlene ja auch nicht in mich verliebt.
    Hast Du einen Mann? Ich hoffe für ihn, dass er Dich gut behandelt. Sonst schicke ich mal Johanna vorbei.

    Ich muss jetzt ein bisschen straffen, wer weiß, wie viel Zeit mir noch bleibt.
    Marlene und ich lebten also weiter in unserer kleinen Welt. Uns interessierte eigentlich auch niemand anders sonderlich. Freunde spielten bei uns so gut wie keine Rolle. Marlene hatte eine beste Freundin, deren Namen ich vergessen habe. Nicht einmal die habe ich zu Gesicht bekommen.
    Mein Freund Karl lebte damals in Berlin. Wir tauschten uns nicht großartig aus, über private Dinge, aber ich fühlte mich ihm verbunden. Dennoch hüllte ich mich ihm gegenüber in Schweigen, was Marlene anging. Diese Liebe in mir konnte ich einfach niemandem erklären.
    Wir lebten also wie zwei Menschen, Hauptdarsteller in einem Stück, umzingelt von nichts als Statisten. Jede freie Minute verbrachten wir zusammen. Und wir wollten niemanden dabei haben. Heute frage ich mich, wie das weitergegangen wäre. So ganz ohne ein eigenes Leben. Ich weiß nur, dass mir damals nichts fehlte.
    Emma lauerte mir immer noch auf, aber ich ließ sie gewähren und ließ ab und zu noch ein paar nette Sätze fallen. Auch wenn es mir schwerfiel. Ich hatte so einen Widerwillen.
    An einem Mittwoch, ich weiß den Tag noch genau, kamen mich meine Eltern besuchen. In der Bank. Was soll ich sagen? Ich stand vorne neben Baumann und schaute ihm bei irgendetwas zu.
    Als ich hochblickte, sah ich den stolzen Blick meiner Mutter und die breiten Schultern meines Vaters.
    „Wir wollten dich überraschen. Dein Vater hat frei heute.“
    Ich konnte nur daran denken, wie ich das jetzt mit Emma über die Bühne bekommen sollte. Sie würden sie begrüßen wollen. Es musste ein zweites Spiel geben. Aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten, wie Emma einen Kunden bediente. Sie schaute mich an. Meine Eltern musste sie also gesehen haben.
    „Louis, wo ist denn Emma? Wir wollten euch in die Mittagspause einladen“, fragte meine Mutter überfröhlich. Ich schaute mich unsicher

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