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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Haferburg
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immer ausgeholfen wenn ich krank war. Aber ansonsten war meine Mutter immer allein im Geschäft, nicht wahr?
    „Na, für zwei ist hier wirklich nichts zu tun. Die Chefin braucht hier nur einen Geldfresser. Ich mach das ja fast umsonst. Ist meine Schwägerin, die Chefin. Aber deine Mutter war eine ganz Liebe. So lieb. Nein, wirklich. Und du? Was machst du?“
    Die Frage hatte ich erwartet.
    „Ich arbeite bei ‚Mamma Mia‘. Radio.“
    „Das ist ja toll. Wirklich? Nein!“
    „Sagen Sie, kannten Sie eigentlich noch den Radverleih, den meine Mutter mal geführt hat?“
    „Ja, natürlich kannte ich den. Hab mir auch mal ein Rad geliehen. Ich war ja so zwanzig damals. Ist das lange her. Zwanzig.“
    Sie versank in Gedanken. Ich wagte einen Vorstoß.
    „Erinnern Sie sich an einen Angestellten. Einen jungen Mann. Er hieß Louis Kampen. So in Ihrem Alter muss der damals gewesen sein?“
    Die Frau kniff die Augen zusammen und überlegte angestrengt.
    „Louis Kampen. Der Name sagt mir was. Ein Louis hat mal in der Bank am Hauptplatz gearbeitet. Den kannte ich vom Sehen. Gab ja nur eine Filiale hier. Ja, der hieß Louis. Ich erinnere mich daran, weil der Name so schön klang. Ein hübscher Bengel. Hatte aber keine Augen für mich. Ich sah damals schon nicht besonders aus.“
    Sie lachte wieder.
    „Und der war auch manchmal im Radverleih. Stimmt, jetzt wo du es sagst. Wieso fragst du?“
    „Ach nur so, hab mir Fotos von früher angeschaut. Viele darauf kannte ich gar nicht. Deshalb frage ich.“
    „Den hab ich dann nie wieder gesehen. Hat wahrscheinlich keine Lust auf so ein Kaff hier gehabt. Der hätte ja ein Schauspieler oder so was sein können. Nicht schlecht.“
    In den Regalen lag allerhand Krimskrams. Ich nahm mir eine Wärmflasche und ging damit zur Kasse.
    „Wozu brauchst du die denn? Hast wohl niemanden, der dich wärmt? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Deine Mutter hat ja auch aus allem ein Geheimnis gemacht. Schwanger war sie, und niemand wusste von wem. Das gab mal kurz ein Gerede. Von einem Minderjährigen war die Rede. Die Leute denken sich alles Mögliche aus, um mitreden zu können. Erklären konnte sich das am Ende aber niemand. Na, Hauptsache sie wusste es. Und lieb war sie ja, die Marlene. Das muss man schon sagen.“
    Ich zahlte die Wärmflasche und hastete hinaus. Es regnete immer noch. Im Auto spielte ich die CD von Luise und weinte.
    Das Gefühl der Einsamkeit hatte seinen Höhepunkt erreicht. Alles war so weit weg. Mein Leben erschien mir unwirklich. Aus Geheimnissen zusammengebaut. Geschichten, von denen ich ja nicht mal wusste, ob sie wahr waren. Ich sehnte mich danach, dass mir jemand den Rücken streichelte und mich beruhigte.
    Ich schrieb Luise eine SMS:
    --Schön, dass Du Donnerstag kommst.--
    Wieder kam die Antwort sofort.
    --Klingt schon besser. Ich dachte schon, du freust dich gar nicht.--

    „Hast du abgenommen?“
    Jonas musterte mich von oben bis unten. Ich antwortete nicht. Er zuckte mit den Schultern und erklärte mir kurz den Stand der Dinge. Der Bürgermeister war zurückgetreten. Das Jugendamt würde auch bald Konsequenzen ziehen, und die Staatsanwaltschaft wollte die Eltern auf Totschlag verklagen.
    „Wie alt sind die Eltern?“
    „Jung, gerad' über zwanzig. Waren absolut überfordert. Beide nehmen hin und wieder Drogen. Die werden übrigens rund um die Uhr bewacht. In der U-Haft. Die werden sogar im Knast bedroht. Und draußen ist es auch nicht viel besser. Einige Leute hier haben gemeint, sie können die Justiz mal an die Kandare nehmen. Sie kamen mit Baseballschlägern und Plakaten und haben sich vors Gericht gestellt und gerufen: ‚Todesstrafe für Kindermörder‘. Kannst du dir das vorstellen? Das ist alles nicht mehr lustig.“
    „Das ist es wahrlich nicht. Was soll ich machen?“
    „Pass auf, bitte fahr heute Abend noch raus. Ins Neubauviertel. Die Stimmung da ist aufgeheizt. Die Leute sind mitteilungsbedürftig. Wir müssen das auffangen. Verstehst du? Wir machen einen Beitrag so unter dem Motto: ‚Schweigen in der Nachbarschaft. Wieso hat niemand etwas gesehen?‘ Du weißt, was ich meine.“
    „Jetzt noch, ist das nicht schon bisschen zu spät? Das war vor einer Woche.“
    „Es ist einfach das Thema. Hier beruhigt sich nicht so schnell was. Warte mal, bis der Prozess in Gang kommt.“
    „Na gut, ich komm wohl nicht drumherum.“
    Es war ruhig im Neubauviertel. Ich hatte irgendwelche Zusammenrottungen erwartet. Aber das war ja auch Blödsinn. Die

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