Ich hasse dich - verlass mich nicht
begann, als die Patientin etwa acht Jahre alt war. Dieser Junge missbrauchte sie nicht nur sexuell, sondern zwang sie auch, mit ihm Alkohol zu trinken. Schließlich musste sie seinen Urin aus der Flasche trinken, wobei sie sich anschließend immer übergab. Er hatte ihr auch Schnittwunden zugefügt, wenn sie versuchte, sich ihm zu verweigern.
Diese Vorfälle in der Vergangenheit wurden in der aktuellen Pathologie neu durchgespielt. Als sich diese Erinnerungen auftaten, wurde Deborah sich ihres lang anhaltenden Zorns gegen den alkoholkranken, passiven Vater und die schwache, desinteressierte Mutter bewusst, die sie für unfähig hielt, sie zu beschützen. Obwohl sie bisher eine distanzierte, oberflächliche Beziehung zu ihren Eltern gehabt hatte, wollte sie jetzt die Möglichkeit bekommen, sie in einer Familientherapie zu treffen, um die in der Vergangenheit erlittenen Schmerzen und ihre Enttäuschung zu offenbaren.
Wie Deborah es vorhergesagt hatte, fühlten sich die Eltern bei diesen Offenbarungen sehr unwohl. Aber zum ersten Mal konnte Deborah sich mit dem Alkoholismus ihres Vaters auseinandersetzen, mit ihrer Enttäuschung und mit der Distanziertheit der Mutter. Gleichzeitig konnten alle drei ihre Liebe zueinander bestätigen und die Schwierigkeiten zugeben, die sie hatten, diese Liebe auszudrücken. Obwohl Deborah erkannte, dass es in der Beziehung keine bedeutsamen Veränderungen geben würde, hatte sie das Gefühl, viel erreicht zu haben, und konnte die Distanz und das Versagen in den Familieninteraktionen besser akzeptieren.
Die therapeutischen Methoden in der Familientherapie ähneln denen der Einzelbehandlung. Eine genaue Rekonstruktion der Geschichte ist wichtig, dazu kann auch die Konstruktion eines Familienstammbaums gehören. Ein solches Diagramm kann zu der Untersuchung anregen, wie Großeltern, Paten, Namensvettern oder andere wichtige Verwandte die Familienbeziehungen über die Generationen hinweg beeinflussen.
Wie in der Einzeltherapie können die Methoden in der Familientherapie hauptsächlich unterstützend-erzieherisch oder erforschend-rekonstruierend sein. Bei der ersten Methode ist das Hauptziel des Therapeuten, sich mit der Familie zu verbünden. Konflikte, Schuldgefühle und Abwehrmechanismen werden so gering wie möglich gehalten. Die einzelnen Mitglieder sind sich darin einig, auf gegenseitig unterstützende Ziele hinzuarbeiten. Die erforschend-rekonstruierende Familientherapie ist ambitionierter. Sie ist stärker darauf gerichtet, die sich ergänzenden Rollen der Mitglieder innerhalb des Familiensystems zu erkennen und aktiv zu versuchen, diese Rollen zu ändern.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt der Therapie konzentrierte sich Eva auf die Beziehung zu ihren Eltern. Nachdem sie sie mit dem sexuellen Missbrauch durch den Vater konfrontiert hatte, fühlte sie sich weiter durch die Eltern frustriert. Beide Elternteile weigerten sich, weiter über den Missbrauch zu sprechen, und rieten ihr von einer Fortsetzung der Therapie ab. Eva war durch ihr Verhalten verwirrt – bisweilen waren sie sehr abhängig und klammernd, dann fühlte sie sich ihnen gegenüber wieder wie ein kleines Kind, besonders wenn die Eltern weiter ihren Kosenamen aus der Kindheit benutzten. Eva forderte Familienzusammenkünfte, zu denen die Eltern sich nur zögernd bereit erklärten.
Während dieser Zusammenkünfte gab Evas Vater endlich zu, dass die Anschuldigungen wahr waren, obwohl er weiter jede Erinnerung an die Angriffe verneinte. Ihre Mutter erkannte, dass sie in vielerlei Hinsicht für ihren Mann und die Kinder emotional nicht erreichbar gewesen war, und wurde sich der eigenen, indirekten Verantwortung für den Missbrauch bewusst. Eva hörte zum ersten Mal, dass ihr Vater in seiner Jugend ebenfalls sexuell missbraucht worden war. Die Therapie konnte mit Erfolg streng gehütete Familiengeheimnisse offenbaren und eine bessere Kommunikation der Familienmitglieder untereinander erreichen. Eva und ihre Eltern konnten zum ersten Mal als Erwachsene miteinander reden.
Künstlerische und expressive Therapien
Die unterschiedlichen Therapieformen (Einzel-, Gruppen und Familientherapie) erwarten vom Patienten, dass er seine Gedanken und Gefühle in Worten ausdrückt, aber der Borderline-Patient leidet in diesem Bereich oft unter einem Handicap. Er kann das, was ihn im Innern beschäftigt, eher durch Handlungen als durch Worte ausdrücken. In der expressiven Therapie wird Kunst, Musik, Literatur, Körperbewegung und Schauspiel
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