Ich hatte sie alle
austrickste, wie sie den Mundwinkel hochzog, ja, und wie sie Steve und Blake gegeneinander ausspielte, wie blässlich diese Chrystal neben ihr doch wirkte. Sie war großartig, brillant und verwegen. In dem Moment, wo die alte Fallon gerade vom Pferd fiel, klingelte mein Wecker.
Es war neun Uhr morgens. Ich sprang in meinen Vorstellungsfummel, während Vassili mir ein Gesicht aufmalte.
»Äh, Katinka, sprichst du da eigentlich mit einem Mann oder mit ’ner Frau?«, fragte Vassili, während er wie ein gestörter Storch durch meine auf dem Fußboden verteilte Garderobe stakste.
»Am Telefon war ’ne Frau, glaube ich …«
»Dann zieh um Gottes Willen was über dieses Fähnchen drüber!«
Vassili warf mir sein Hemd zu, das farblich beinahe passte und einen starken »Cool Water for Men«-Geruch ausströmte. Dank der unmöglichen Pumps, die ich für solche Gelegenheiten aufbewahrt hatte, wirkte ich als Gesamtwerk wie eine unentschlossene Transe.
Der morgendliche Stau gab mir Gelegenheit, noch mal in Ruhe über alles zu transpirieren. Wir bogen in die Zielstraße ein, ich stieg aus dem Auto. Vassili blieb erwartungsvoll im Auto sitzen, leider nicht bei laufendem Motor.
Als ich endlich, sehr zaghaft, bei BMG angeklingelt hatte, öffnete mir ein Mann die Tür. Ich sah mich hilfesuchend nach Vassili um. Dieser war aus dem Auto gesprungen, stellte pantomimisch das Aufreißen einer imaginären Bluse dar und wackelte mit nicht vorhandenen Riesenbrüsten.
Der Herr von BMG erblickte Vassili, dann fragte er mich: »Ähem, der junge Mann da hinten scheint Ihnen etwas sagen zu wollen. Kennen Sie den?«
Ich spürte, wie ich erbleichte. Jetzt bloß keine Ausflüchte, bloß nicht irgendetwas nuscheln, der erste Eindruck ist entscheidend. Denk nach! Was würde Alexis Colby in so einer Situation antworten? Und plötzlich, ganz automatisch, hörte ich aus meinem Mund die perfekte, die einzige Antwort, die man auf so eine impertinente Frage geben kann: »Nur flüchtig. Er arbeitet für mich.«
Herr BMG nickte fassungslos, aber er ließ mich ein in die heiligen Hallen der Plattenindustrie. Der Punkt ging also an mich, die Alexis-Taktik funktionierte bis hierhin. Eher grenzdebil als ladylike grinsend folgte ich dem überrumpelten Schergen durch den Flur.
Ich wurde in ein Büro geführt und nahm auf einem Sofa unter goldenen Schallplatten Platz. Ich denke, dass es letztendlich dieser klimatisierte Prunk war, der michin meiner neuen Rolle als coloradensische Multimillionärin vollends bestätigte. Meine Unsicherheit war von einem denverclanesken Schleier umhüllt, den ich nicht mehr abzustreifen vermochte. Die Rescue-Tropfen taten ihr Scherflein dazu. Der Herr BMG grinste mich verbindlich an und sagte: »Ja, unser Chef, der Herr Niemeyer, kommt dann gleich zu Ihnen. Was zu trinken solange?«
»Ein nicht zu kaltes Perrier, danke sehr!« Ich winkte huldvoll wie Queen Mum selig nach dem achten Gin.
Der Mann verschwand, mein wahres Ich klopfte kurz an meiner Hirnrinde an und fragte Frau Colby, ob sie noch alle Tassen im Schrank hätte. Immerhin beruhigte ich mich einigermaßen damit, dass ich keinen doppelten Martini bestellt hatte. Und was hatte der Typ gesagt? »Der Herr Niemeyer kommt dann gleich«?
Ich riss mir Vassilis Hemd vom Leib, wrang es ein bisschen aus und stopfte es in meine Handtasche. In diesem höchst unpassenden Moment trat Herr Niemeyer ein. Joan Collins herrschte ihn durch meinen Mund an:
»Haben Sie nicht gelernt, bei einer Dame anzuklopfen?«
Herr Niemeyer schaute erst extrem verwirrt, dann extrem belustigt. Ich gab mir eine innerliche Ohrfeige. Ich musste wieder normal werden. Herr Niemeyer gab mir keine Chance dazu:
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen nicht die Hand geben kann, ich hatte einen Unfall.«
Seine rechte Hand war einbandagiert, aber das konnteauch ein Trick sein. Also sagte ich ganz unverbindlich:
»Ach? Ich auch.«
Unverbindlichkeit ist in gewissen Situationen nicht gerade unverbindlich. Ehrlich neugierig bohrte Herr Niemeyer nach.
»Was denn, Sie hatten auch einen Unfall?«
Alexis lief in mir zu Höchstform auf:
»Ja, einen Jagdunfall.«
Herr Niemeyer setzte sich wie jemand, der sich setzen muss. Ich versuchte, die Situation zu entspannen, indem ich mich immer tiefer in die Scheiße ritt:
»Ja, ein junges, unerfahrenes Pferd. Der Stallmeister hätte es gar nicht herausgeben dürfen.« Dazu fabrizierte ich eine Handbewegung, die ausdrücken sollte, wie unwichtig mir doch diese
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