Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
Nahrungssonden, die mit den Augen aktiviert werden, was glauben Sie, was es alles gibt»).
Was macht man also, wenn man ein Kleinteil findet, bevor der Staubsauger es inhalieren konnte. Man sammelt es! Ich habe auf meinem Schreibtisch in einer extra Schale eine der bedeutendsten europäischen Kleinteilsammlungen von 1985 – 2005. Kleine Muffen, Überwurfringe, Schneckenräder, Stöpsel, Flügelschrauben und Konterstücke ohne Ende. Das Enervierende dabei ist, dass auch gesammelte Kleinteile nicht weniger rätselhaft sind. Selbst nach Jahren scheint niemand sie zu vermissen. Ich bin mir mittlerweile sogar sicher, dass ich sie wegschmeißen muss, um über ihre Funktion belehrt zu werden. Wahrscheinlich rollt in dem Moment, wo unten die Müllabfuhr wegfährt, die tonnenschwere Schiebetür stoppschraubenungebremst aus der Schiene, schleudert die Aquarienpumpe muffenfrei das Wasser ins Wohnzimmer und so weiter. Das ist sehr philosophisch.
«Behandle mich wie ein Kleinteil!», sagte ichzu meiner Frau, als ich vor kurzem sehr, sehr krank war. «Jetzt lieg ich hier vielleicht nutzlos rum, aber wenn ich erst mal weg bin, wirst du sehen, dass ich ganz unverzichtbar war!»
Träge Trägerrakete
Die Kinder sind weg, und meine Exkollegin wird gerade von ihrem Mann gewürgt, nachdem er zufällig auf ihr Handy geguckt hat, als es piepte. So fängt ein schöner Abend an. Ich liege, nur lose bekleidet und mit just dem Gesichtswasser erfrischt, das meine Frau am liebsten schnuppert, auf dem Lotterbett und überlege, ob es sich lohnen könnte, das Gesichtswasser noch an anderen Stellen aufzutragen. Aber dann kommt meine Frau eine Stunde zu spät. «He, wo bleibst du? Hast du meine SMS nicht bekommen?» «Welche SMS?», fragt die Erschöpfte und zerrt an ihren Stiefeln. «Erwarte dich auf dem Maträtzchen, mein Schätzchen! Habe ich dir doch gesimst!», rätsele ich und entdecke eine Sekunde später, dass ich mich bei der Handynummer vertippt habe. Na ja, egal.
Der Exkollegin gelingt es in letzter Minute, nach dem Handrührgerät zu langen und ein Ohr ihres Mannes komplett in den Quirl zu räufeln, um sich zu retten, aber unsere Kinder sind weg und kommen erst morgen wieder. Verkauft. Schlafen aushäusig. Wir sind frei. Das Schlafzimmer und der Mann sind vorgeheizt. «Ich kann nicht so auf Knopfdruck», lächelt meine Frau milde. «Ich muss erst mal den Kopf frei kriegen.»
Im Kopf meiner Frau ist viel drin. Das kann dauern. Und es dauert vor allem immer länger. Während es früher zur Not reichte, die Kindlein mit zwei auf Stangen rotierenden Tellern in den Patschehändchen verdattert in der Küche stehen zu lassen, um bis zum Austrudelnderselben die Liebste in der Rumpelkammer zufriedenzustellen, muss ich heuer bald zwei Tage vorher anfangen, meine Frau in Stimmung zu bringen. «Lass uns erst was essen gehen!», schlägt sie vor. Klingt verlockend, ist aber zum libidinösen Hochfahren in den reiferen Jahren nicht ungefährlich. Kontroverse Gesprächsthemen müssen umsteuert (und das sind nach zehn Jahren mehr, als man sich merken kann) und typisch weibliche Wahnvorstellungen prophylaktisch paralysiert werden. («Was starrst du so in die Gegend? Gefällt dir mein schulterfreies Kleid nicht? Sind es meine Oberarme? Du kannst ruhig sagen, wenn du sie zu schwammig findest!») «Wir könnten in die Sauna gehen», sage ich, aber meine Frau erinnert mich daran, dass ich nach dem letzten kinderfreien Saunabesuch beim Zähneputzen eingeschlafen bin.
Dies bringt mir bitter zu Bewusstsein, dass der trägen trägerraketenhaften Startphase berufstätiger Mehrfachmütter eine unpassend ungewisse und knallfroschhafte Kurzbereitschaft verblühender Männer gegenüber- oder eben auch nicht steht. Nachdem es über Kino-, Billard- und Tanzerwägungen zu spät für einfach alles geworden ist, legen wir uns vor den Fernseher, machen ihn aber ganz laut, weil ja kinderfrei ist und wir das unbedingt «ausnutzen» müssen. Dann endlich schnüffelt sich meine Frau zu mir: «Ist das etwa mein Herren-Lieblingsgesichtswasser?»
In der Notaufnahme des Krankenhauses wickelt unterdessen der Arzt vorsichtig den Quirl aus dem Ohr des Ehemanns meiner Exkollegin, das nun ausschaut wie eine Pfingstrose. «Solche Verformungen im Knorpelgewebe bilden sich leider nicht mehr zurück. Das ist sicher schlimm für Sie. Haben Sie eine Partnerin, die Sie jetzt unterstützen kann?»
Vermisstenanzeige
Als meine Frau wieder in die Küche kam, hatte sie den Hörer
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