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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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73   Kilogramm Körpergewicht aus wie mein Vati, unter 68   Kilogramm dann allerdings wieder wie meine Mutti, was mir für das Dasein als eigenständige Persönlichkeit dann doch einen sehr geringen Spielraum lässt und bedeuten würde,dass ich mich bei einer schweren Magen-Darm-Grippe als mein Vater ins Krankenbett lege, um als meine Mutter wieder aufzustehen.
    Die Katze Minka jedenfalls feierte ihre Heimkehr ausgiebig krallenkratzend an der Sofaecke, die schon länger nicht mehr von einem fetzenbehangenen Holzgestell zu unterscheiden ist. Aber offenbar war das Heimweh damit nicht gestillt, denn als wir zur Nacht die Schlafzimmertür hinter uns schlossen, mauzte Minka so erbärmlich, dass meine Frau sie gegen meine ehernen Katzenhaltungsgrundsätze hereinließ. Ein Fehler. Bekanntermaßen wirkt die Gegenwart von Katzen entspannend, und überraschenderweise erstreckte sich diese Wirkung auch auf mein zuständiges Organ. «Ich kann nicht, wenn die verdammte Katze zuguckt», sagte ich zu meiner Frau. «Und ich kann nicht, wenn sie draußen an der Tür rumjammert», erwiderte die Erregendste. Ich versuchte noch einmal, mich für meine Frau zu begeistern. Umsonst. «Du solltest es als Journalist gewohnt sein, in der Öffentlichkeit   … zu stehen», mahnte meine Frau ungeduldig.
    «Aber die Katze starrt mich an, als ob sie wüsste, was wir hier machen», flüsterte ich. «Vor den Fischen im Aquarium hast du letztens keine Hemmungen gehabt!», schalt mich die Frau, und ich unternahm einen letzten Versuch. Doch dann geschah es.
    Als ich mich fast schon im Stande vollendeter Manneskraft noch einmal vorsichtig umwandte, zwinkerte mir die Katze zu. Es war vorbei. Ich würde nie wieder Sex haben. Beim nächsten Umdrehen würde sie vielleicht mit der Zunge schnalzen oder durch die Zähne pfeifen. Ein Leben jenseits der Leibesfreude erwartete mich, einzig der Dichtkunst oder dem Anlegen von Herbarien gewidmet,bis meine Frau am nächsten Tag kam und sagte: «Ich war eben mit Minka beim Tierarzt. Sie hat sich in der Pension eine Bindehautentzündung geholt. Das eine Auge war schon ganz verklebt.»

Schnurren und Schrammen – wer will das verdammen
    Die Frau hat Arbeit. Gottlob. Die Kinder sind in den staatlichen Einrichtungen. Die alten Eltern verlangen weder Beratung noch Zuspruch. Jetzt die Tür schließen. Das eitle Getriebe der Welt hinter sich lassen. Wundervoll. Erst mal Nasebohren, und zwar richtig. Ich bezweifle ja, dass man ohne Nasebohren ein gesundes Leben führen kann. Es muss an dieser Stelle jemand einmal den Mut haben, es auszusprechen: Es gibt einfach Dinge in unseren Nasen, die kann man nicht schnauben. Überhaupt werde ich jetzt an Haltung einbüßen. Wozu gibt es Privatheit, wenn man sich nicht einmal zu Hause danebenbenehmen kann? Ohne Körperspannung in den Sitz sinken. Volle Pulle rumhängen. Mit ganz schädlichem Rundrücken bis knapp vorm Bandscheibenvorfall am Computer lungern. Und die Krankenkasse weiß nichts davon. Hahaha. So macht Leben Spaß.
    Aber nicht lange: Miau. Miaumiau. Mihiau. Es ist Minka, die schwarze Katze mit dem weißen Unterfell. (Ich denke, sie war mal ganz weiß. Wurde dann aber umgespritzt, weil weiße Katzen gerade nicht liefen.) Also Tür wieder öffnen. Katze reinlassen. Katze springt auf den Tisch. Katze reibt Kopf an meiner Schulter. Katze will schmusen. Es ist eine Schmusekatze. Viel mehr hat sie nicht drauf. Sie ist a bissel unkomplex. (Manchmal spielt sie noch mit ihrem Schwanz, aber das ist schon die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben.) Wenn ich beim Einstellungsgesprächauf die Frage nach meinen Kernkompetenzen geantwortet hätte: «Ich kann bloß Schmusen!», wäre aber der Nächste schon dran gewesen, bevor ich das Ausrufezeichen hätte ausrufen können. Aber Katzen kommen damit durch. Hunde müssen sich den Wolf apportieren (Das ist ja der Brüller! Hab ich einfach so geschrieben. Ich lach mich schlapp!) und auf Kommando oder von selbst Opfer retten, Täter beißen und bellen, wenn sie Drogen riechen, oder sich wiederum ganz still davor hinlegen, wenn sie Sprengstoff gefunden haben. (In einer Welt voller Akustikzünder kommen Hunde, die das durcheinanderbringen, nicht mal mehr dazu, entschuldigend nach hinten zu grinsen.) Aber Katzen brauchen nur schnurrend an einem vorbeizuschrammen, und schon gibt es Fresschen satt. Aber das Schöne ist nur des Schrecklichen Anfang, wie Rilke richtig in Duino elegierte, und auch Schmusen kann Terror sein. Der Rückzug der

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