Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
amerikanischen Truppen aus dem Irak wäre schon durch, und zwar fluchtartig, wenn die sonst so kurzatmig um sich herum sichernden U S-Patrouillen auf jedem Basar von zu allem entschlossenen Kuschelkommandos ganz lieb umarmt und gedrückt würden. Das hält niemand aus, der aufs Töten gedrillt wurde.
Auch ich, der ich aufs Faulsein gedrillt wurde, will jetzt nicht mit Katzi Bussibussi machen. Es ist früh um halb zehn in Deutschland. Die Katze verwechselt mich mit jemandem. Liege ich etwa mit frisch rasierten Beinen im seidenen Morgenmantel auf dem Designersofa und genieße eine Tasse entkoffeinierten Kaffee? Nein. Ich habe keine Bindungsprobleme oder brauche niemanden, der mich zärtlich anstupst. Ich kann mich, ehrlich gesagt, an keinen Moment in meinem Leben erinnern, wo ich zärtlich angestupst werden wollte. Ich komme gut ungestupstklar. «Ja, ja. Ich hab dich auch lieb», lüge ich routiniert und setze die Katze vom Tisch auf den Boden. Minka streicht mit gerecktem Hintern und flatterndem Schwanz um meine Beine. Wahrscheinlich werde ich jetzt mit geheimen Katzensubstanzen bedampft, die mich gefügig machen sollen. Aber bei mir ist der Kopf Herr im Haus, nicht irgendwelche Drüsen. Pech gehabt. «Los, ab jetzt! Verschwinde!», klatsche ich in die Hände. (Ach, an mir ist ein klatschender Sultan verlorengegangen. Klatsch. Klatsch. Bringt hurtig Essen und Tänzerinnen. Mir ist ein wenig fad zumute.)
Mau. Miaumiau. Jetzt will die Katze wieder raus. Also die Tür wieder aufmachen. Tür zumachen. Es ist eine verfluchte Ossi-Katze. Die jahrzehntelange Teilung Deutschlands hat sich tief in die Gene sächsischer Straßenkatzen gegraben. Erst will sie raus, dann will sie wieder rein. Dann will sie wieder raus. Hauptsache, die Zone wechseln. Man wird völlig meschugge. Bloß weil wir kein Geld ausgeben wollten, haben wir jetzt eine billige, aber ewig maulende Ossi-Katze von der städtischen Katzenausgabestelle statt eines hochpreisigen, aber eingebildet schweigenden Perserkaters. Vielleicht hat sie aber auch nur eine Abneigung gegen Zimmer, in denen sie sich selbst aufhält. Das gibt es. Miau. Miaumiau. Da ist sie wieder. Tür wieder auf. Und wie war’s drüben, Ossi-Katze? Kalt und unmenschlich? Wenn man sich wenigstens mit ihr unterhalten könnte. Mit Hunden kann man sich prima unterhalten. Die gucken immer so interessiert. Klar, sind ja Rudeltiere. Wer da die Augen verleiert oder Gähnpfote macht, wenn der Alpha-Rüde was kundgibt, ist draußen. Aber Katzen gucken anders. Irgendwie verständnislos. Wahrscheinlich eine Raubtiertaktik. Feldmaus hüpft über den Weg. Plötzlich steht da eine Katze und guckt total verständnislos. Die Feldmaus,eigentlich sollte sie ja, hast du nicht gesehen, flüchten, sieht die Katze so verständnislos gucken und denkt irritiert: Ist was nicht in Ordnung mit mir? Hab ich Dreck am Schwanz? Sitzen meine Schnäuzchenhaare nicht? Die Feldmaus zeigt auf sich, aber die Katze guckt immer noch verständnislos. Hallo? Macht jemand hinter mir ulkige Zeichen? Dann dreht sich die Feldmaus langsam, unsicher um, aber darauf hat die Katze nur gewartet. Aus die Maus.
Natürlich gibt es Leute, die sich prächtig mit ihren verständnislos dreinblickenden Katzen unterhalten. Meistens sind es Singles. Einsame, arme Singles, die abends ihre Katzen fragen, warum Ernst-Rüdiger seit zwei Jahren nicht zurückruft. Mein Tipp: Wer den verständnislosen Blick von Katzen als braves Zuhören deutet, der deutet wahrscheinlich noch ganz andere Blicke falsch.
Minka sitzt mitten im Zimmer und starrt mich an. «Nicht wahr, wir verstehen uns nicht?», frage ich sie zum Test. Minka mauzt. Vielleicht hat sie Hunger. Ich gehe zum Kühlschrank. Minka bleibt im Zimmer sitzen und sieht mir verständnislos hinterher. Falsch geraten. Ich war es, der Hunger hatte.
Mein Leben als französisches Melodram
Ich streite selten mit meiner Frau. Und schon gar nicht gegen Abend hin, weil meine Frau sonst beim Zubettgehen frostigerweise so tut, als müsse sie aufgrund einer irrtümlichen Hotelzimmerdoppelbuchung die Nacht neben mir verbringen.
Aber wie auch immer, ich hatte mich mit meiner Frau gestritten. Es war nicht einmal eine besonders fundamentale Auseinandersetzung. Es ging darum, ob ich einmal bei einem Waldspaziergang angesichts eines plötzlichen Eichelhäher-Krächzens vor lauter Angst zusammengezuckt war, wie meine Frau behauptete, oder vorsichtshalber in eine kreuzgefährliche asiatische Zweikampfausgangsstellung
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