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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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Strichmännchen, die davor warnen, was passieren kann, wenn man über den nassen Boden geht. Ich lenke die elektrische Poliermaschine mit Ohrenschützern, während auf den Monitoren hoch über den Köpfen der Shoppingkanal, Talkshows und Verbraucherschutzsendungen laufen. Ich verdiene nicht viel, aber seit die Läden in der Stadt vierundzwanzig Stunden geöffnet haben, gibt es so viel Arbeit, wie ich will. Es gibt nichts anderes zu tun, als zu arbeiten. Es ist zwar nicht Woolworth oder eine Parfümerie-Abteilung, aber ich habe meinen eigenen Putzwagen, und ich kenne mich in den Gängen sehr gut aus, selbst im Dunkeln. Ich komme klar.
    Chloe, die nicht alt genug wurde, um in einem Einkaufszentrum zu putzen oder etwas anderes zu arbeiten, sitzt in meinem Kopf, als ich auf der Rolltreppe in der Mitte der Arkaden stehe, jeweils ein Staubtuch auf die Handläufe rechts und links drücke und langsam gegen die Laufrichtung gehe. Licht funkelt durch die spitze Glaskuppel im Atrium, ich wechsle die Rolltreppe, und Chloe trennt vorsichtig ein Poster aus der Mitte ihrer neuen Ausgabe von Smash Hits heraus. Sie drückt die Klammerenden mit der Schere wieder flach. So viele Poster: In ihrem Zimmer wimmelt es förmlich von Augen an den Wänden. Auf allem, was sie besitzt, klebt ein Gesicht. Man kann nicht mal in Ruhe neidisch auf ihre Sachen sein, weil die meisten ihrer Besitztümer zurückstarren.
    Wir verbrachten zusammen einen perfekten Sommer – der letzte, bevor Emma sich in unser Leben drängte. Und dann wich der Sommer dem Herbst, und wir mussten wieder in die Schule, und alles begann sich zu ändern. Ich denke an die Zeiten, als wir in den Avenham Park gingen, und wir sind da, und sie hakt sich bei mir ein. Ich spüre die Innenseite ihres Handgelenks in meiner Armbeuge. Wir lachen und folgen dem Pfad zwischen den Rosenbeeten, während wir leere Kastanienhüllen wegkicken. Jemand war vor uns da und hat die Kastanien gesammelt, die wir in dem ausgeschalteten Springbrunnen entdecken, wo sie im Wasser schwimmen und aufquellen. Ihre glänzende Außenhaut ist gerissen. Moosflechten wachsen auf Gesichtern aus Stein, und wir schlendern umher, bis es dunkel wird. Sie steckt kurz ihre Hand in meine Jackentasche. Später finde ich dort eine Schachtel Zigaretten. Ich verstecke sie unter meiner Matratze und übe das Rauchen im Schuppen.
    Oder sie sitzt neben mir im Klassenzimmer. Wir sind ganz hinten, die Augen des Lehrers auf uns gerichtet. Es wird gesprochen. Vielleicht haben wir wieder Zettelchen geschrieben. Es gibt immer wieder neue Jungs zu diskutieren. Unsere Vorlieben ändern sich unerklärlicherweise von Woche zu Woche. Ein unerschöpfliches Gesprächsthema. Es gibt Listen. Wir vergleichen die Jungs. Wir denken uns ein Liebesleben für unsere Lehrer aus, verschachtelt wie eine Soap.
    Die Blicke der anderen Mädchen sind gewieft und neugierig und feindlich. Emma ist da, aber nur schemenhaft. Wir beachten sie noch nicht. Als jemand meckert, hebt Chloe den Mittelfinger und wirft mit Radiergummikrümeln. Wir malen mit Tipp-Ex unsere Namen auf den Tisch, mit verschnörkelten Anfangsbuchstaben wie bei einem Monogramm.
    Sie beugt sich nah an den Spiegel heran. Das Waschbecken, die Toilette und die Badewanne sind nicht weiß, sondern künstlich blau, ein Farbton, der sich »aqua« nennt und exotisch wirkt. Sie zupft sich die Augenbrauen mit einer Pinzette. Es ziept. Sie zuckt kurz zurück, und ihre Augen werden wässrig, aber sie grinst.
    »Fuck«, sagt sie. Das Wort ist noch neu für sie. »Der natürliche Look ist sehr harte Arbeit«, zitiert sie vor dem Spiegel und lacht.
    Da ich hinter ihr stehe, kann ich mein Spiegelbild über ihre Schulter hinweg sehen: ein blasses Gesicht, umringt von einem Heiligenschein aus krausen braunen Haaren. Ein Gesichtsausdruck, der einfältig wirkt, aber nur kurzsichtig ist. Ich mustere meine Augenbrauen. Mein Gesicht ist pausbäckig und blasser als ihres. Die Brauen sehen aus, als hätte jemand einen dicken Pinselstrich quer über meine Stirn gezogen. Chloe sagt, sie seien zu dick, sie hätten keinen Schwung. Das wird eine mühsame Prozedur werden, und ich warte darauf, dass ich drankomme. Chloe testet immer erst alles an sich selbst. Wenn sie es für gut befindet, bin ich an der Reihe.
    »Wir müssen unbedingt was damit machen«, sagt sie und wirbelt herum. Ich bin gebannt von ihrem Blick, aber sie starrt nicht auf meine Augenbrauen, sondern auf meine Haare. Die Pinzette landet klappernd im

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