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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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Die meisten Leute, die in der Stadt wohnen, können eine Anekdote über ihn erzählen – dass sie ihn in einen Bus steigen sahen, dass er sich über die lange Warteschlange in der Post beschwerte, dass er mit einem zusammengerollten Handtuch im Hallenbad auftauchte. Ich selber bin ihm einmal begegnet, jedenfalls glaube ich, dass er es war – Jackett, rosa Hemd – , als er einen schwer aussehenden Müllsack aus seinem Kofferraum wuchtete und an den Straßenrand stellte. Ich erwähnte es gegenüber meiner Chefin, und sie fragte atemlos, was in dem Sack war. Als ich antwortete, dass ich nicht nachgesehen hatte, weigerte sie sich einen Monat lang, mir Überstunden zu geben.
    Terry ist kein Stammkunde im Einkaufszentrum, aber anscheinend wurde er hier schon gesehen, als er kurz bei Primark hereinschneite und zwei Pack dunkelblaue Socken kaufte. Es gibt das Gerücht, dass die Geschäftsführerin ihm Personalrabatt geben wollte, aber sich ständig bei ihrem Personalcode vertippte und ihm die Socken schließlich schenkte. Sie fragte nicht einmal nach einem Autogramm, das sie in der Nähe der Drehtür hätte aufhängen können.
    Es ist schwierig, Leuten von außerhalb zu erklären, was für eine Bedeutung Terry für die Stadt hat. Ohne zu altern oder seine Hemdfarbe zu wechseln, präsentiert er seit zwanzig Jahren jeden Abend die Lokalnachrichten, was bedeutet, dass er selbst Teil der meisten wichtigen Dinge ist, die sich jemals in dieser Region ereignet haben. Jedes Mal, wenn der Ribble Hochwasser führte. Das eine Mal, als ein Musikfestival im Park veranstaltet wurde. Diese Kneipenschlägerei damals und die andauernde Debatte über das fünfstöckige Parkhaus über dem Busbahnhof. Terry eröffnet die neuen Supermärkte, heißt willkommen auf der Pfingstmesse und schaltet jedes Jahr die Weihnachtsbeleuchtung an. Er verleiht Urkunden an die Kinder im Bücherclub der Stadtbibliothek, und er ist Gastredner bei der Jahreshauptversammlung der Real Ale Society.
    Ich rechne nicht damit, dass der Sender zur Live-Übertragung an der Gedenkstätte zurückschaltet, aber das tut er. Terry und sein Team haben den Standort gewechselt, und zwar fix. Was als eine heitere Reportage über eine öffentliche Grundsteinlegung begann, verwandelt sich plötzlich in eine Sondersendung, die in mein Zimmer ausgestrahlt wird. Der unversehens anstößig dekorierte Spaten wurde versteckt, der Bürgermeister tauscht die Gummistiefel mit Anzugschuhen, und Terry wechselt die Krawatte. Sie sammeln sich rechtzeitig, als die Polizei eintrifft und ein weißes Zelt an der Stelle errichtet, wo der Pavillon gebaut werden soll.
    Die Berichterstattung wird den ganzen Abend weitergehen. Chloe, endlich in den Hintergrund gedrängt. Sie haben den Leichnam noch nicht identifiziert, aber ich weiß, es ist Wilson. Ich weiß es einfach.

2
    Chloe hatte feines blondes Haar, das glatt an ihrem Kopf anlag und weich und transparent über ihre Schultern fiel. Die Tapete im Wohnzimmer ihrer Eltern war sehr altmodisch: grün-braun-rosa mit Vögeln, die aussahen wie bunte gepresste Blumen, zerquetscht und wütend, mit aufgerissenen Schnäbeln.
    Unsere Pläne sahen wie folgt aus: Chloe würde einen Job in der Parfümerie-Abteilung von Debenhams bekommen, ich würde einen Job in dem Café im Obergeschoss annehmen, oder, sollte das nicht klappen, bei Woolworth – Chloe behauptete, die würden dort jeden nehmen. Wir würden Geld sparen und zusammen eine Wohnung mieten. Chloe würde in die Schminkabteilung aufsteigen oder als Personal Shopper in die VIP -Lounge.
    Die Wohnung hätte einen Balkon, weil Chloe es unhygienisch fand, drinnen zu rauchen, und ich würde mir ein Kaninchen anschaffen. Wir würden immer pünktlich unsere Miete und die Rechnungen zahlen, aber das übrige Geld würden wir auf den Kopf hauen für Röcke und Perlen und Alkohol in blauen Flaschen in irgendwelchen Nachtclubs. Wir würden das Wohnzimmer tapezieren wie ihre Mutter, aber wir würden die Tapete selber bemalen und daraus ein wertvolles Tapeten-Unikat machen. Wir hätten Aschenbecher aus blauem Glas und Traumfänger vor den Fenstern. Wir würden Eisroulade essen, wann immer uns danach war, und uns jeden Abend Leonardo DiCaprio in Titanic und Romeo und Julia reinziehen.
    Ich habe nie einen Job in einem Café bekommen, und ich habe mich nie bei Woolworth beworben. Ich putze im Einkaufszentrum. Meine Aufgabe ist es, die gelben Warndreiecke aufzustellen, bevor ich den Boden wische: kleine ausrutschende

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