Ich komme um zu schreiben
konzentrierte sich auf seinen Hals, auf das stetige Pulsieren seiner Schlagader, und versuchte, nicht in Panik auszubrechen. Sie würde es schaffen. Am Wochenende würde sie ihm alles sagen. Eine bessere Gelegenheit gab es gar nicht! Sie würde gleich nach ihrer Ankunft mit der Sprache herausrücken. Dann hatte Ben zwei Tage Zeit, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, ehe er Gelegenheit bekam, ihre Bücher zu lesen. Sie würde ihn langsam mit der Wahrheit vertraut machen, so wie sie es von Anfang an hätte tun sollen.
„Molly“, flüsterte er und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Sein Blick erinnerte sie an geschmolzene Schokolade. So süß, dass es schon wehtat. Ben errötete leicht. „Molly, ich liebe dich.“
Oh Gott. Ohgottohgott. „Ben, ich … ich …“
„Lass uns am Wochenende reden, Moll. Wir haben keine Eile. Ehrlich.“
Zum ersten Mal seit Tagen, Wochen, Monaten siegten ihre Hoffnungen über ihre Ängste. Ein riesiger Knoten löste sich in ihrer Brust, und sie hätte fast aufgeschluchzt vor Erleichterung. Doch stattdessen rang sie sich ein Lächeln ab und drehte sich um, um die Tür aufzuschließen. Sie konnte es noch nicht sagen, sie hatte Angst davor, es zu sagen. Aber sie würde Ben durch Taten zeigen, was sie empfand, sobald sie im Haus waren. In der Küche. Oder irgendwo sonst, wo sie nicht im Freien unter einer Verandalampe standen.
Bens Worte und Berührungen hatten sie direkt auf Wolke Nummer sieben gebeamt. Lächelnd trat sie ins Haus – und da hörte sie es. Ein seltsames gedämpftes Murmeln. Ben schob sie schützend hinter seinen breiten Rücken. Erst jetzt bemerkte Molly, dass fahles Licht durch die offen stehende Esszimmertür fiel. Auf dem Holzboden tanzte ein verzerrter Schattenwurf. Wie ein Teufel, dachte Molly, ein Teufel, der zu seiner Höllenmusik tanzt.
Sie stolperte gegen Bens Schuh und keuchte erschrocken auf. Ben fing sie auf und flüsterte ihr zu, dass sie leise sein solle, doch es war schon zu spät. Der Schatten hielt inne. Ben stieß Molly nach hinten, und im selben Moment tauchte in der Schattenhand auf dem Dielenboden eine Pistole auf.
„Was macht ihr hier?“, fragte eine schnarrende Stimme.
Molly hörte, wie Ben geschockt nach Luft rang. Dann murmelte er fassungslos: „Brenda?“
„Was macht ihr hier?“ Ihr Kreischen glich dem Gebrüll eines in die Falle gegangenen Tieres.
„Brenda, leg die Waffe weg, damit wir reden können.“
Sein Arm lag fest um Mollys Taille, was ein Segen war, da ihre Knie nachzugeben drohten. Und da hatte sie noch nicht mal das Gekritzel an der Wand hinter Brendas Schatten bemerkt. Oder dass die Hand mittlerweile aus der Esszimmertür ragte und wild mit der Waffe herumwedelte, anstatt sie auf den Boden zu legen.
„Klar können wir reden“, höhnte Brenda. „Mach die Tür zu.“
„Ich bezweifle, dass …“, setzte er an, aber Brenda stieß einen schrillen Schrei aus und richtete die Waffe auf Mollys Brust. Ben schloss hastig die Tür.
„Nimm die Hände weg von ihr“, befahl Brenda. „Du weißt doch gar nichts über sie. Sie ist nichts weiter als eine billige Hure!“Molly murmelte: „Hey!“, was Ben dazu veranlasste, ihr warnend die Finger in die Taille zu graben. Dann ließ er sie los. Molly wich langsam nach hinten aus und formte dabei lautlos die Worte „Ich hab’s dir doch gesagt“ mit den Lippen. Ben warf ihr einen mahnenden Blick zu.
Mach dir keine Sorgen, wollte sie sagen. Brenda kann mich nicht erschießen, weil sie dafür erst dich erschießen müsste.
Ben hob die Hand, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie weit genug zurückgewichen war. „Okay, Brenda. Worüber willst du reden?“
Jetzt, wo die Haustür geschlossen war, war es dunkel im Flur. Aber so konnte Molly Brendas Profil im Licht der Schreibtischlampe umso deutlicher erkennen. In der einen Hand hielt sie die Waffe, und in der anderen etwas, das verdächtig nach … nach einem Textmarker aussah!
„Diese Frau“, stieß Brenda mit abfällig gerunzelter Stirn hervor, „ist nicht gut genug für dich. Sie ist eine Lügnerin und eine Pornografin.“
Scheiße.
„Brenda, komm schon.“ Bens Tonfall war tief und weich, ganz die Ruhe selbst. „Wir sind doch Freunde. Ich habe zwar keine Ahnung, wovon du da redest, aber lass uns einfach zusammen ein Bier trinken gehen und das aus der Welt schaffen.“
„Ich trinke nicht“, zischte sie und trat in die Tür. „Ich trinke nicht, und ich trage keine nuttigen Kleider, und ich lüge dich nicht
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