Ich komme um zu schreiben
Hut, Chief!“
„Geht es dir gut, Molly?“
„Ja, deine Hände zittern viel mehr als meine.“
„Sag bloß.“ Er bewegte den Arm, und dann rauschte sein Funkgerät. Entweder redete er in einem speziellen Polizeicode, oder Mollys Schock saß tiefer, als sie sich eingestand. Die Person am anderen Ende schien die verstümmelte Botschaftallerdings zu verstehen, da sie höchst entsetzt reagierte.
Molly wand sich aus Bens Umarmung und sah zu Brenda hinüber, die Ben beobachtete. Ihre Wange ruhte auf dem Teppich, den Molly erst drei Monate zuvor gekauft hatte. Brendas waldgrünes Versandhaus-Shirt biss sich grausam mit dem rotblauen Muster.
Plötzlich wollte Molly nur noch weg, raus aus diesem Zimmer, diesem grauenhaften Szenario. Als sie zurückzuweichen begann, funkelten Brendas Augen boshaft auf.
„Jetzt liebt er dich nicht mehr“, stöhnte Brenda zufrieden. „Solange er dich nicht liebt, ist mir egal, was mit mir passiert.“
„Ja“, flüsterte Molly erstickt. Ja, Brenda hatte recht. Jetzt würde Ben sie verlassen.
Endlich hörte das Funkgerät auf zu scheppern. Ben trat neben Molly, schlang den Arm um ihre Taille und zog sie in die Diele. In weiter Ferne begannen Sirenen zu schrillen, die mit jeder Sekunde lauter wurden.
„Du bist leichenblass“, bemerkte er. „Du stehst unter Schock.“
„Keine Sorge, mir geht’s gut. Alles bestens.“
Ben führte sie ins Wohnzimmer zu ihrem Sessel und breitete die Sofadecke über ihr aus. „Ich muss nach Brenda sehen. Kann ich dich hier allein lassen? Ich bin gleich wieder …“
„Geh nur.“
„Andrew müsste gleich kommen.“
„Ja, ich weiß, ich bin ja nicht taub.“
Ihre schnoddrige Art schien ihm zu missfallen. Aber nachdem er ihr einen letzten eindringlichen Blick zugeworfen hatte, verschwand er wieder im Esszimmer. Schließlich hatte er eine Kriminelle zu bewachen. Da konnte er nicht auf seine geschockte Freundin aufpassen.
Die verzweifelten Protestschreie von Brenda dauerten an, aber Ben gab keinen Laut von sich. Wahrscheinlich war erviel zu sehr damit beschäftigt, in Mollys Büchern zu stöbern. Sie kuschelte sich tiefer in die Decke und rollte sich im Sessel zusammen.
Das hier würde kein gutes Ende nehmen. Sie zog sich die Decke über den Kopf.
Als Andrew mit einem weiteren Officer im Schlepptau das Haus betrat, brach um Mollys Deckenkokon herum das schiere Chaos aus. Fragen, Flüche, barsche Befehle drangen in ihre flauschige Zuflucht. Ben sah kurz nach ihr, dann hörte man aus dem Esszimmer das Klicken einer Kamera, und er war wieder verschwunden.
„Ruf Jake für sie an“, hörte sie ihn Sekunden später sagen. Sie spähte unter der Decke hervor und sah durch die offen stehende Wohnzimmertür, dass Brenda abgeführt wurde. Sie schien am Boden zerstört zu sein, doch als sie Mollys Blick bemerkte, bäumte sie sich ein letztes Mal auf. „Hure!“, fauchte sie, dann eskortierten Ben und Andrew sie zur Haustür.
Als Ben die Tür öffnete, drang ein greller Blitz in die Diele. Und dann noch einer. Und noch einer. Molly sprang auf und rannte zu den Vorderfenstern. Draußen auf der Straße stand Miles und machte eine Fotoserie von Brenda, die verzweifelt versuchte, ihr Gesicht zu verbergen. Doch dann schien ihr eine Idee zu kommen. Sie richtete sich auf und sah direkt in die Kamera.
„Sie ist Holly Summers“, schrie sie. „Jetzt kann sie die Wahrheit nicht mehr verbergen! Molly Jennings ist Holly Summers, haben Sie verstanden, Miles?“
„Klar und deutlich!“, erwiderte er heiter.
Molly rutschte das Herz in die Hose.
Auch wenn sie es nicht in Worte hatte fassen können: Genau das hatte sie befürchtet. Aus diesem Grund war sie so sicher gewesen, dass Brenda recht hatte, wenn sie sagte, Ben würde sie nicht mehr lieben. Selbst wenn Miles nicht wie ein Geierdort draußen gelauert hätte, wäre die Sache spätestens bei der Gerichtsverhandlung publik geworden.
Dass Ben von ihren Büchern erfahren würde, war halb so schlimm. Sie hatte es ihm ja sowieso sagen wollen. Aber dass alle, wirklich alle es erfahren würden, war etwas ganz anderes.
Auf schwachen Beinen schleppte Molly sich wieder zu ihrem Sessel und wickelte sich fest in ihre Decke. Sie hatte verloren.
Sie schloss fest die Augen und stellte sich einen strahlenden Sommermorgen vor, an einem Ort, an dem niemand ihr Geheimnis kannte.
„Molly?“
Bens drängender Tonfall ließ sie so ruckartig aus dem Schlaf hochschrecken, dass sie mit dem Kopf gegen seine Wange prallte.
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