Ich komme um zu schreiben
Richtung Eingangstür betrat sie Bens Büro. Ihr Magen kribbelte vor Aufregung, und sie kam sich vor wie eine Spionin in geheimer Mission.
Das ganze Zimmer roch nach ihm, nach sauberer Haut und Leder. Dazu eine Spur von Öl, was Molly sofort an Pistolen denken ließ. Sein Schreibtisch war ordentlich, aber nicht pedantisch. Am Rand stapelten sich ein paar Taschenbücher, auf denen eine leere Kaffeetasse stand.
Sie nahm das erste Buch vom Stapel und drehte es um, um den Titel zu lesen. Ein Western. Eindeutig nicht sexy, abernicht weniger romantisch.
Grinsend legte sie das Buch zurück und stellte die Kaffeetasse wieder darauf.
„Was glaubst du eigentlich, was du hier machst?“, fauchte eine wutentbrannte Stimme.
Schuldbewusst fuhr Molly herum. Etwas Hartes streifte ihre Knöchel, gefolgt von einem lauten Krachen.
„Oh“, schrie Molly auf und sah betreten zwischen Brenda und den Kaffeetassenscherben auf dem Boden hin und her. „Brenda, du hast mich ja fast zu Tode erschreckt!“
„Was schnüffelst du hier herum?“
„Ich, äh … ich schnüffle nicht! Ich hatte nach Ben gesucht, und … oh, hier.“ Sie hielt Brenda die Tupperdose wie ein leuchtend blaues Friedensangebot unter die Nase.
Die grobschlächtige Frau griff nach der Schüssel, schien die Symbolik hinter der Geste aber nicht zu verstehen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen. „Du hast hier alleine nichts zu suchen.“
„Tut mir leid, aber es war ja keiner da!“
„Und du hast Bens Lieblingstasse zerbrochen. Seine Mutter hat sie ihm geschenkt, als er zum Chief befördert wurde.“
„Seine …“ Erschrocken schlug sich Molly die Hand vor den Mund und sah auf die Scherben. Natürlich war das blöde Ding nicht sauber in zwei Hälften zerbrochen, sondern in mikroskopisch kleine Splitter zersprungen. „Ach wie ärgerlich. Weißt du, ob ich die nachkaufen kann?“
„Und dann was?“, schnauzte Brenda sie an. „Willst du Ben etwa belügen?“
„Nein! Ich wollte sie ihm schenken, um es wiedergutzumachen! Meine Güte, hast du aber schlechte Laune!“
Brenda schnaubte abfällig und machte auf dem Absatz kehrt. „Ich hole einen Besen. Du musst draußen im Empfangsbereich warten.“
„Heiliges Kanonenrohr“, murmelte Molly. Brenda kam nicht nur äußerlich nach ihrer Mutter: Sie war auch genauso unfreundlich. Die alte Mrs White hatte immer eine Zigarette in der Hand und schlechte Laune gehabt.
Molly hätte Brenda am liebsten geschüttelt und ihr mitgeteilt, dass nichts sie dazu zwang, in Tumble Creek zu bleiben und wie ihre Mutter zu werden. Sie konnte leben, wo sie wollte, und sein, wie sie wollte, genauso wie Molly. Aber Brenda wirkte nicht so, als sei sie in der richtigen Stimmung für ein Frauengespräch. Ein taktischer Rückzug in den Empfangsbereich schien also ratsam.
Kaum hatte Molly sich auf einem der unbequemen Stühle niedergelassen, da flog die Eingangstür auf, und Ben kam, begleitet vom Duft frischen Schnees, in die Station gestürmt.
Er hob die Brauen. „Stimmt etwas nicht?“
„Doch, doch. Ich wollte nur kurz mit dir reden.“
Seine Miene wurde finster. „Die Stromkabel und die Bremsschläuche sind tatsächlich durchgeschnitten worden. Ich habe nach Fingerabdrücken gesucht, aber …“ Er nickte in Richtung Büro und lief los, direkt auf das leise Scherbenklirren zu, das durch die offene Tür drang.
Molly sprang auf und eilte ihm hinterher. „Ähm, Ben, ich … ich habe deine Tasse runtergeschmissen, und jetzt ist sie kaputt, und es tut mir wirklich schrecklich leid. Wenn ich sie irgendwie ersetzen kann …“
„Hi, Brenda“, sagte er, dann drehte er sich zu Molly um. „Welche Tasse denn?“
Brenda sammelte die letzten Scherben auf und drängte sich an den beiden vorbei durch die Tür. Sie bedachte Ben mit einem kurzen Nicken, Molly hingegen, die hilflos und händeringend dastand, ignorierte sie völlig.
„Die Tasse, die deine Mom dir geschenkt hat, als du Chief geworden bist. Es tut mir so leid.“
Doch er warf ihr nur einen entnervten Blick zu. „Ich werde den Verlust überleben. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mal genau, von welcher Tasse du eigentlich redest. Meine Mom schickt mir ständig welche. Ist wahrscheinlich die Geschenkvariante für Männer, die keine Krawatten tragen.“
„Oh, okay. Na dann ist ja gut.“ Sie warf Brenda einen kurzen, vernichtenden Blick zu. Die Sekretärin starrte giftig zurück und verschwand im Empfangsbereich.
„Wie auch immer …“ Molly
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