Ich komme um zu schreiben
Sorgen.“ Dann legte sie auf, und zwar genau in dem Augenblick, in dem sie die frisch asphaltierte Main Street erreichte. Direkt vor der tiefschwarzen Fläche blieb sie plötzlich stehen.
Warum zur Hölle schlich Wilhelm Smythe in Bens Wohnstraße herum? Sie fuhr herum und hoffte, dass sie ihn dabei erwischen würde, wie er sie anstarrte, aber nein – Wilhelm schlurfte einfach weiter, ohne Molly auch nur die geringste Beachtung zu schenken. Um wirklich sicherzugehen, beobachtete sie ihn noch dreißig Sekunden lang, aber abgesehen davon, dass er sich am Hintern kratzte, passierte nichts Ungewöhnliches. Aber trotzdem, auf der Highschool war sie mal zwei Wochen lang mit Smythes Sohn zusammen gewesen. Der alte Trinker war ihr damals ganz schön unheimlich gewesen. Was aber vornehmlich daran gelegen hatte, dass Wilhelm immer nach Whiskey roch.
Oder hatte sie unbewusst gespürt, dass er ein Schwein war? Einer, der nachts durch die Schlafzimmerfenster junger Frauen spähte?
Molly sah ihm argwöhnisch nach, bis er hinter einer Kurve verschwand. Eigentlich sah er gar nicht gesund genug aus, ummitten in der Nacht den Berg hinter ihrem Haus erklimmen zu können. Tatsächlich wirkte es sogar so, als wäre er nur noch ein paar Monate vom Leberversagen entfernt. Ob sein Sohn wohl in seine Fußstapfen getreten war?
Das gedämpfte Rauschen des Flusses lenkte sie von ihren traurigen Gedanken ab, und Molly warf einen Blick in die enge, unebene Straße zu ihrer Linken. Sie diente als Zufahrtsrampe zum tiefsten Flussabschnitt, und Molly überlegte kurz, ob sie dort entlanggehen sollte, anstatt den schnellsten Weg nach Hause zu nehmen. Sie wollte am Ufer stehen und ins wirbelnde Wasser starren und denken, denken, denken. Aber sie hatte Angst davor, die verlassene Gasse alleine zu betreten. Wenn jemand aus dem Unterholz sprang und Molly ins eiskalte Wasser stieß, würde kein Mensch da sein, um sie zu retten.
Ihre Ängstlichkeit machte sie gleichzeitig so wütend, dass sie die Main Street und den Berg zu ihrem Haus in Rekordzeit hochmarschierte. Selbst als sie den Zettel bemerkte, der an ihrer Haustür hing, hielt sie kaum inne. Jedenfalls nicht, bis die Bedeutung der Worte darauf in ihr Bewusstsein vordrang.
Raus aus Tumble Creek, oder du musst sterben, stand da in schwarzen krakeligen Buchstaben.
Molly war so wütend, dass sie sogar die eiskalte Angst ignorierte, die sich in ihrer Magengrube ausbreitete. So außer sich, dass sie den Zettel einfach ignorierte und den Schlüssel in ihr neues Sicherheitsschloss rammte. Empört verschwand sie im Haus und ließ die Nachricht draußen hängen.
Brodelnd vor Wut stapfte sie durch bis in die Küche und schnappte sich das schärfste und größte Messer, das sie besaß. Irgendein Feigling ruinierte hier ihr Leben, und das würde sie nicht mehr mitmachen. Nein, sie würde nicht wieder bei Ben anrufen und sich die Augen aus dem Kopf heulen. Stattdessen überprüfte sie todesmutig und ganz alleine die Hinter- unddie Kellertür, die beide verschlossen waren, und durchsuchte dann das ganze Haus bis in den letzten Winkel.
Erst als sie sich wenig später an ihren Schreibtisch setzen wollte, verpuffte ihre Wut ganz plötzlich und machte der Angst Platz, die schon die ganze Zeit über hinter ihrem Zorn gelauert hatte. Mollys Beine gaben nach, und sie sank wie ein Stein in ihren ergonomischen Schreibtischstuhl.
Wie war sie nur auf die unsinnige Idee gekommen, dass sie in Tumble Creek Frieden finden würde? Ihre Heimatstadt war für sie immer der Inbegriff von Sicherheit und Stabilität gewesen, eine Zuflucht vor dem Großstadtleben. Also was zur Hölle hatte sie durch ihre Rückkehr losgetreten? Sie konnte sich nicht erinnern, auf der Highschool irgendjemandem den Freund ausgespannt zu haben, und sie hatte auch niemanden aus dem Cheerleaderteam gemobbt. Weil sie nämlich gar kein Cheerleader gewesen war. Ihr fiel einfach niemand in Tumble Creek ein, der einen Groll auf sie hätte haben können. Nicht mal den Job machte sie jemandem mit ihrer Heimkehr streitig. Das Einzige, was sie sich geschnappt hatte, war der heiße Chief.
„Moment mal …“ Molly setzte sich aufrecht hin. Vielleicht ging es ja gar nicht um sie! Vielleicht ging es um den braven Ben und irgendeine ominöse Frau aus seiner Vergangenheit! Er hatte zwar behauptet, dass er nie etwas mit jemandem aus Tumble Creek angefangen hatte, aber mit Molly war er ja auch seit einer Woche nicht zusammen! Oh, das würde ein ziemlich ernstes
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