Ich komme von Charlie!
immer das schreckliche
Lächeln auf den Lippen, fuhr sie sich mit dem Handrücken über den Mund und
verschmierte die Lippenfarbe. Dann verrenkte sie seitlich den Kopf und biß sich
in ihre eigene weiche Schulter. Als mir klar wurde, was sie mit alldem
beabsichtigte, war es, als hätte mir jemand einen Tiefschlag versetzt. Ich
hatte begriffen, was sie wollte, und konnte sie nicht daran hindern.
Auf ihrem Gesicht erschien ein
unwahrscheinlich teuflischer Ausdruck, der keinen Zweifel darüber ließ, daß wir
beide Partner gemeinsamer Lust gewesen waren, und dann schoß sie an Kate vorbei
ins Zimmer, als ob diese gar nicht existierte, und blieb mit gespreizten Beinen
und in die Hüften gestemmten Händen vor mir stehen.
»Hör zu, mein Herz«, sagte sie
mit heiserer Stimme, »du hattest mir versprochen, du würdest diesem
Frauenzimmer in Windeseile das zukommen lassen, wonach sie geschrien hat; aber
jetzt dauert das bereits Stunden. Ich friere dort in deinem Zimmer so ganz allein
zu Tode — schau dir diese Gänsehaut an .«
Sie hob das rechte Bein und
ließ die Hand langsam über ihren Oberschenkel gleiten. »Siehst du sie ?« Sie kicherte obszön. »Überall — an den unmöglichsten
Stellen. Schau mal .«
Der Ausdruck verblüffter
Ungläubigkeit auf Kates Gesicht bei Friedas Auftreten wurde nun durch den
kochender Wut, die sich schnell auf einen vulkanartigen Ausbruch hin steigerte,
abgelöst. Sie starrte die nackte Frieda an, ihr zerwühltes Haar, die um Mund
und Kinn verschmierte Lippenfarbe, die blutroten Bißspuren auf der weichen weißen Schulter — und zog den nächstliegenden Schluß daraus.
Frieda beobachtete sie mit
grimmiger Befriedigung und wandte sich ihr zum genau richtigen Zeitpunkt mit
schwesterlicher Geste zu.
»Was für ein Mistvieh dieser Kerl ist !« Sie
wies voller Abscheu mit dem Kopf auf mich. »Haut ab und läßt mich so zurück,
wie ich bin, kommt hinüber und fängt bei dir an. Wofür hält er uns eigentlich?
Für ein paar...?«
»Ich weiß jedenfalls, wofür ich
ihn halte !« fauchte Kate und erinnerte mich in ihrer
Wut so sehr an eine Wildkatze, daß mir fast das Blut in den Adern gerann. »Aber
wenn ich ihn in der Mache gehabt habe«, fuhr sie in demselben bösartigen Ton
fort, »wird er wesentlich anders aussehen als jetzt .«
Frieda lächelte beglückt,
während sie die Hände ausstreckte und die Finger krümmte. Ich starrte benommen
auf die zwei bis drei Zentimeter langen Nägel, die plötzlich zu Krallen
geworden waren.
»Ich glaube, das ist eine
großartige Idee, Kate«, sagte sie leise. »Ich werde dir helfen .«
Beide rückten in eindeutiger
Absicht auf mich zu, und der Ausdruck in ihren Augen löste in mir dasselbe
Empfinden aus wie in einem Bleichgesicht am Marterpfahl, das den einleitenden
Prozeduren der Squaws entgegensieht. Adrenalin floß durch meine Adern wie
billiger Sherry bei einem literarischen Cocktail. Meine Glieder setzten sich
wie auf elektrischen Antrieb hin in Bewegung. Ich sprang mit ein paar Sätzen
zum Fenster hinüber, riß es weit auf und sprang auf die Feuerleiter.
In wahnsinniger Geschwindigkeit
raste ich die Stufen hinab in den Lichthof. Selbst wenn dort unten das Skelett
mit einer Pistole in der Hand auf mich warten sollte, schien mir das,
verglichen mit dem Schicksal, das mich in Kates Zimmer erwartet hätte, eine
Erleichterung zu sein. Irgendwo über mir erschallte trillerndes weibliches
Gelächter, und zwei Sekunden später knallte eine Haarbürste auf meinem Kopf.
Ich erreichte die unterste Stufe, trat in ein paar Zentimeter Schnee, rutschte
aus und landete flach auf meinem Rücken.
FÜNFTES KAPITEL
Z ehn Uhr dreißig am nächsten
Morgen fühlte ich mich nicht in der Lage, mit meinem Frühstück fertig zu
werden, von Lieutenant Kublin ganz zu schweigen. Ich
hatte mich schließlich gegen halb fünf Uhr morgens in mein Zimmer
zurückgeschlichen, nachdem ich den Nachtportier ausgiebig bestochen hatte,
damit er zuerst rekognoszierte und mich dann in einem Personalaufzug zu meinem
Stockwerk hinaufschmuggelte. Als ich schließlich in mein Zimmer zurückgekehrt
war, war mein Pyjama durchweicht vom Sturz in den Schnee, und ich zitterte, als
ob ich die Pest hätte. Selbst jetzt, halb elf Uhr vormittags, war ich nicht
davon überzeugt, sie nicht zu haben.
Kublin starrte mich unheildrohend an,
während ich mich im Bett aufsetzte und noch einen Schluck Kaffee trank, und sein
Gesichtsausdruck besagte, ich sei eine stinkende Schlafmütze und
Weitere Kostenlose Bücher