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Ich komme von Charlie!

Ich komme von Charlie!

Titel: Ich komme von Charlie! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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einzureden, das Gefühl von Nervosität in meiner Magengrube rühre von
Schlafmangel her. Eine schläfrig aussehende Blonde öffnete die Tür und sah mich
an, als erinnerte ich sie an ihren Onkel Joe — an den, dem sie vor ein paar
Jahren die Kniesehnen mit einem stumpfen Messer durchgeschnitten hatte.
    Ihr Haar stand in dichten
Locken um die Kopfhaut, ihre Augen waren von wäßrigem ,
ausgewaschenem Blau und ihre Lippen voll und sehr feucht. Ein Oberteil aus
lebhaftem Blau umschmiegte ihren unglaubhaften
Vorbau, und scharlachrote Stretchhosen lagen glatt
von ihrer Taille bis hinunter zu den Knöcheln an. Sie sah wie der sündige
Wunschtraum eines Pennälers aus.
    »Wollen Sie was ?« fragte sie mit brüchiger Stimme. »Oder haben Sie nur geklingelt
und dann vergessen wegzurennen ?«
    »Ich möchte Charlie Renitz sprechen«, sagte ich.
    »Die Frage lautet, ob er Sie
sprechen möchte«, sagte sie scharf.
    »Warum fragen Sie ihn dann
nicht ?« schlug ich vor. »Ich bin Larry Baker —
Drehbuchautor bei der Eddie
Sackville Show; und ich muß ihn dringend sprechen .«
    »Na, phantastisch!« Sie gähnte
bedächtig. »Okay, ich werde ihn fragen, wenn auch gegen mein besseres Wissen.
Bleiben Sie hier .«
    Sie war eine halbe Minute
später zurück. »Das ist Ihre Sternstunde, Junior. Vermutlich hat Charlie seinen
tierlieben Tag .« Sie drehte sich um und ging in den
Eingangsflur zurück. »Ich zeige, wie Sie gehen müssen«, sagte sie über ihre
Schulter hinweg.
    Ich beobachtete das rhythmische
Wippen ihres scharlachfarbenen Hinterteils und konnte
dem Witz mit dem langen Bart nicht widerstehen. »Süße«, sagte ich feierlich,
»wenn ich so ginge, würde ich verhaftet werden, noch bevor ich die nächste
Querstraße erreicht hätte .«
    Sie blieb stehen und kicherte
hysterisch. »He !« brachte sie schließlich hervor. »Das
war nicht schlecht! Ich darf nicht vergessen, das Charlie zu erzählen, er wird
vor Lachen sterben !«
    Dann ging sie weiter, und ich
folgte ihr durch die riesige Diele, wobei ich mir überlegte, daß sie mir
entweder mit ihrer hysterischen Reaktion auf einen so abgedroschenen Witz etwas
vorgemacht hatte oder ich mich irgendwie in einen dieser alten Filme der
Prohibitions-Ära verirrt hatte und Charlie Renitz demnach Edward G. Robinson wie aus dem Gesicht geschnitten sein und eine
Zigarre im Mundwinkel haben müßte.
    Wir traten ins Wohnzimmer, und die
Blonde blieb abrupt stehen. Sie machte eine Handbewegung zu dem Mann hin, der
in einem Sessel auf der anderen Seite des Zimmers saß.
    »Das ist Mr. Renitz «, sagte sie formell. »Das ist dieser Bursche,
Charlie .«
    »Danke, Ella«, sagte Renitz leichthin. »Such bitte Luther und schicke ihn
herein. Ja?«
    »Gern, Charlie.«
    Die Absätze der Blonden
klapperten gleich darauf munter über das Parkett der Diele, während ich nach
wie vor damit beschäftigt war, Renitz anzustarren. Er
war keineswegs das, was ich erwartet hatte. Die Wirklichkeit stand in fast
lächerlichem Kontrast zu meinen Vorstellungen von einem massigen Körper und
einer Aura unerbittlicher Bösartigkeit.
    Er war ein gutangezogener Mann um
die Fünfzig herum, mittelgroß und ein wenig zu schwer; seine runden Wangen
waren von einem gesunden, blühenden Rosarot. Sein ergrauendes schwarzes Haar
war nur ein wenig aus der Stirn zurückgewichen, und er trug es länger, als es
die derzeitige Mode vorschrieb, so daß er irgendwie den Eindruck eines
vorwiegend künstlerischen Menschen oder auch Intellektuellen erweckte. Die
tiefliegenden grauen Augen begegneten meinen prüfenden Blicken mit ruhiger
Gelassenheit.
    »Wollen Sie sich nicht setzen,
Mr. Baker ?« fragte er mit einer höflichen
Baritonstimme.
    »Danke .« Ich ließ mich ungeschickt auf dem Band des nächsten Stuhls nieder.
    Gemessene Schritte näherten
sich auf dem Parkettboden, und dann trat ein großer, athletisch gebauter junger
Mann ins Zimmer. Er mußte Ende Zwanzig sein — der kurze Haarschnitt, der
tadellose sportlich-saloppe Anzug, die beiläufige Selbstsicherheit in seinem
Gang, alles wies auf einen jungen Mann hin, der erfolgreich sein
College-Studium hinter sich gebracht hat und nun in der Wall Street oder
Madison Avenue recht hübsch vorankommt. Aber wenn man ihn einmal genau ansah,
wurde der gesamte Eindruck zerstört. Dieser Junge hatte rauhere Sportarten betrieben, als Golf oder Rugby an Universitäten zu spielen; er hatte
im Leben alles gesehen, vieles geschluckt und vieles ausgespuckt, und ihm
konnte man nichts mehr

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