Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)

relativ. Und wird oft überbewertet. Fragen Sie sich, ob Sie an der Stelle eines anderen Menschen in dessen Situation mit seinem Hintergrund genauso gehandelt oder entschieden hätten, wie er es zu Ihrem Missfallen getan hat. Sie werden prompt feststellen, dass Sie über die Situation und die Beweggründe Ihres Gegenübers relativ wenig wissen. Diese Erkenntnis gibt Ihnen geistigen Handlungsspielraum. Ersparen Sie Vorwürfe und Abwertungen nicht nur Ihren Mitmenschen, sondern auch sich selbst. Vor Fehlverhalten ist auch ein Topagent nicht gefeit!
    Und wenn ihm ein Fehler unterlaufen ist, was macht er dann? Wird er unsichtbar? Sprengt er die Brücke und kapert ein U-Boot? Streckt der Staragent den Daumen raus und stoppt einen Starfighter? Nein. Er macht etwas ganz anderes. Etwas Unglaubliches: Er gesteht seinen Fehler sofort ein und entschuldigt sich aufrichtig. Und das war’s dann auch, denn er wird diesen Fehler nie wieder machen. Und nie wieder ansprechen. Die Sache ist vom Tisch, und die Aufmerksamkeit richtet sich konstruktiv und lösungsorientiert in die Zukunft. Agenten begehen gewiss nicht den Fehler, Konflikte ohne Not zum Thema zu machen, indem sie sich wieder und wieder für dieselbe Sache entschuldigen. Auch begehen sie nicht den Fehler, Fehlverhalten ohne Not zu begründen. Dadurch würden sie dem Negativthema mehr Aufmerksamkeit schenken als notwendig. Langatmige Entschuldigungen, die für andere unter Umständen nach Ausreden klingen könnten, gehen immer auf Kosten Ihrer Persönlichkeit. Und Ihre Persönlichkeit ist das Einzige, womit Sie punkten, wenn Sie um Vertrauen
werben. In den meisten Fällen ist Ihr Gegenüber glücklich über eine spürbar ernst gemeinte Entschuldigung und über Lösungsvorschläge, wie solche Vorfälle in der Zukunft vermieden werden können.
    Sollte es wider Erwarten zu einem Kontaktabbruch kommen, obwohl Sie zu jedem Zeitpunkt fair agiert haben, halten Sie sich dennoch stets eine Hintertür offen. Das heißt, Sie beenden jeden Kontakt so, dass Sie ihn irgendwann wieder aufnehmen könnten. Hinterlassen Sie niemals verbrannte Erde! Agenten benehmen sich in jeder Situation so, dass sie ihrem Konfliktpartner jederzeit in die Augen sehen können. Und sich selbst im Spiegel. Das ist auch der Grund dafür, dass ich trotz meiner Jahre im Milieu dieses Buch schreiben und mich damit in die Öffentlichkeit begeben kann.
    Schauen Sie nicht zurück. Wenn Agenten ihren Blick in die Vergangenheit richten, dann lediglich, um sich an die Ressourcen zu erinnern, die sie genutzt haben, um die Krisen und Konflikte von gestern erfolgreich zu lösen.
    Bewältigte Konflikte und Krisen machen uns erfahrener und klüger, und es ist ein gutes Gefühl, sich in der Rückschau daran zu erinnern, was man alles geschafft hat. An unseren Krisen sind wir gewachsen. Deshalb sollten wir ihnen nicht aus dem Weg gehen, sondern sie stets als Chance für unsere persönliche Entwicklung begreifen. Was lernen wir daraus? Oft sind Rückschläge einfach nur eine kleine Korrektur auf dem Weg zum Ziel. Fragen Sie sich jeweils: Was ist gut daran?

Aus dem Agentenhandbuch:
Seien Sie sich stets bewusst, dass Konflikte und Krisen gleichermaßen Vertrauen zerstören und aufbauen können.
Gestehen Sie Ihre Fehler sofort ein und wiederholen Sie sie nicht.
Heißen Sie Krisen als persönliche Wachstumschancen willkommen.
Entschuldigen Sie sich ein einziges Mal. Ernsthaft und aufrichtig.
Verzichten Sie auf Rechtfertigungen.
Nehmen Sie die Position Ihres Gegenübers ein, um sein Verhalten zu verstehen.
Beenden Sie jede Beziehung so fair, dass Sie später wieder Kontakt aufnehmen können.

Im Fadenkreuz
    Das Anwerben von Vertrauensmännern besteht aus zahlreichen Etappen mit mehreren Treffen. Dabei gehören die erste Kontaktaufnahme und die Offenbarung zu den wichtigsten und heikelsten Momenten. Nach einer kurzen Testphase, in der die Zuverlässigkeit des V-Mannes auf die Probe gestellt wird, geht die Anwerbephase in die Kultivierungsphase über.
    Mittlerweile hatte ich mich mit Hilfe weiterer Berichte aus der Analyse bestens über Tichow informiert. Er wohnte in Bad Soden, außerhalb von Frankfurt am Main, zusammen mit einer ehemaligen Prostituierten, die als Bedienung in einem eher zwielichtigen Etablissement arbeitete. Amtlich gemeldet war er dort nicht. Er hatte jeden Monat eine relativ hohe, aber für diese Kreise nicht ungewöhnliche Mobilfunkrechnung, diese wurde über sein Privatkonto beglichen, über das ferner die