Ich krieg die Krise! (German Edition)
ihr dieses Treffen!
Spät abends kam da so etwas Gegeltes auf einer Vespa angerauscht, hatte in tiefster Nacht eine Sonnenbrille auf der Nase, ich dachte – na gut, wir haben unseren Heino, Schwamm drüber!
Er sprang in unser Zimmer und sang gleich los: »O sole mio … Mama, o bella mama … caduta di massi.«
Hallo, sagte ich, was heißt hier massi!!!?
Ich holte ihn mir auf Augenhöhe, hob ihn also etwa einen Meter über den Boden und sagte: »Pass mal auf Jungchen, wenn du meine Tochter anfassen, ich dann kann ganz eklig werden!« … und zeigte dabei auf meinen DDR -Kampfsportbadeanzug, der zum Trocknen auf der Leine hing.
Da schwächelte seine braune Gesichtsfarbe und ich merkte, er hatte mein Anliegen verinnerlicht!
Die beiden also los!
Ich vertrieb mir die Zeit mit Müllers Lexikon und der statistischen Aufarbeitung der Sonnenscheindauer in den letzten 50 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern … es wurde 12!
Um diese Zeit liegen in geordneten Familienverhältnissen die Kinder im Bett!
Es wurde 2, 3, 4 Uhr, Oh Gott, dachte ich, du hast doch jetzt hoffentlich nichts falsch gemacht! Endlich kam sie. Oh ich sah schon von weitem ihren leichten Versehrtheitsgrad! Sie ging ganz verklärt, gleich dem jungen Heiland, an mir vorbei in Richtung Badezimmer, verwechselte da schon mal die Zahnpasta mit meiner Haftcreme … himmelte den Badezimmerspiegel an und hauchte: »Francesco!«
Ich hätte sie vorher impfen lassen sollen!
Na ja, dachte ich, bald sind wir wieder im wohltemperierten Deutschland, da kühlt sie sich ab!
Aber mitnichten! Sie fing sofort einen Italienischkurs an und schrieb heiße Briefe an Franscesco, sang »O sole mio«, und sagte laufend zu mir »O mama … bella mama … canduti di massi …« – ich habe nachgeschlagen … das heißt: Vorsicht Steinschlag!
Und dann kam er!
Aber solche südländische Lebensfreude ließ sich unmöglich in unseren deutsch-preußischen Haushalt integrieren.
Der belcantete ja schon am frühen Morgen, was bei ihm 11 Uhr war!
Da hatte ich schon heiß-kalt geduscht und drei Hektar meines Gartens umgegraben.
Er stand er auf dem Balkon und sang wieder mal »O sole mio«.
Als ich das meinem Mann eines Tages übersetzte, war das zu viel für ihn.
»Meine Sonne« und er dozierten nun aufgeregt, dass die Sonne nun mal kein Privateigentum, sondern Allgemeingut ist, die man sich nicht so einfach unter den Nagel reißen kann.
»Das sind Dinge, die wir uns in Deutschland hart erkämpft haben«, sagte er, »wofür viele ihr Leben gelassen haben, man kann das Rad der Geschichte nicht einfach so zurückdrehen – vor allem nicht in meinem Haus, auf meinem Grund und Boden!«
Aber Francesco verstand natürlich nur Bahnhof. Schnapp-
te sich mein Handtuch, das ich mir schon für meine Frauengymnastikgruppe zurechtgelegt hatte, und drapierte sich auf meinen Rasen, um »seine Sonne« zu inhalieren.
Wissen Sie, wenn man so etwas erlebt hat, wünscht man sich von Herzen den Limes zurück!
Hans Liberg: Ich krieg die Krise
Dieser Titel suggeriert, dass Kabarettisten sich von der Krise überraschen lassen. Der Verleger geht nicht davon aus, dass wir Comedians und Kabarettisten die Krise schon längst haben kommen sehen. Er unterschätzt unsere Intuition, unseren Überlebenswillen. Mein Kollege Ludwig van Beethoven, der berühmte holländische Komponist, hatte denselben Naturinstinkt. Behalten Sie die Künstler im Auge! Schon lange bevor die Wirtschaft zusammenbricht, bricht nämlich unsere Wirtschaft ein. Wir befinden uns halt in einer empfindlichen Sparte der Gesellschaft. Menschen kommen nicht ohne Essen oder Strom aus, können aber eine Woche auf einen Comedian und witzige Texte über Politiker verzichten, wenn auch nicht viel länger. Es sind die Künstler, die die Zeichen einer Krise als Erste bemerken. Schon bei der Ankündigung des Euros im Jahr 1992 dachte ich: Da fängt der Ärger an. Seit 1999 wurde in Euro gerechnet und 2002 wurde er eingeführt, denn der Euro ist männlich. Die alte Deutsche Mark war noch weiblich und auf der Deutschen Mark sah man Clara, die Ehefrau von Robert Schumann. Auf dem Euro war kein Platz mehr für Musik. Auch in Frankreich verschwand der Komponist Claude Debussy vom 20-Franc-Schein, in Italien musste Verdi sich eine andere Einnahmequelle suchen und in den Niederlanden verschwand der 25-Gulden-Schein, auf dem Jan Pieterszoon Sweelinck abgebildet war, der große Organist aus Amsterdam, der einst in der Warmoesstraat
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