Ich krieg die Krise! (German Edition)
Ernährungskrise, das ist knallharter Überlebenskampf! Aber längst hat auch der Chinese die Speckrolle an seinem zierlichen asiatischen Leib angesetzt, die Trägheit des Wohlstands wird bald seine Gelenke zermürben und die Arterienverkalkung des Kapitalismus wird ihm frühzeitig ein Äderchen platzen lassen. Das ist es! Nicht der Chinese hungert uns aus, sondern wir sorgen dafür, dass sich der Chinese überfrisst! Die Drecksarbeit erledigen die Fastfood-Ketten und Spielautomatenbetreiber, wir bombardieren China mit schlechten Filmen und fluten es mit Coca Cola.
Tapfer führe ich den ersten Bissen zum Mund. Es schmeckt, wie es aussieht. Gegen Naturgesetze hat selbst der kreativste Koch noch kein Rezept gefunden: Huschen zu viele Kaulquappen durch den Tümpel, fressen sich die Larven gegenseitig auf, bis sich die Überlebensbedingungen im Biotop verbessert haben. Besser man rettet sich derweil ans Ufer und wartet ab. Ich beschließe, nicht aufzuessen. Ich pfeife auf den Überlebenskampf und auch aufs Vaterland. Ich wechsle das Lokal und gehe zum Augustiner. Da gibt es einen guten Schweinebraten.
Marc-Uwe Kling: Hirngespinste
»Ich hab mal nachgedacht«, sagt das Känguru.
»Hört, hört!«, sage ich.
»Glaubst du an Schulden?«
»Hä? Fragst du mich, ob es Schulden gibt? Natürlich! Alle haben Schulden. Ob ich dran glaube oder nicht ist doch irrelevant.«
»Nee. Ganz im Gegenteil«, sagt das Känguru. »Das ist irre relevant. Schulden sind ja nix Reales, also weißt du, wie ein Haus oder ’ne Käsestulle. Sondern sind ja nur ’ne Absprache, sind nur im Kopf, verstehste?«
»Hm.«
»Kuck«, sagt das Känguru. »Ich schulde dir noch 4,95.«
»Für die Wasserpistole, die Science-Fiction-Geräusche macht?«
»Ja, für die Wasserpistole, die Science-Fiction-Geräusche macht.«
»Piu, piu, piu«, sage ich und schieße mit meiner Fingerpistole im Zimmer umher.
»Und jetzt tun wir beide einfach so, als würde ich dir nix schulden«, sagt das Känguru. »Und piu, piu, piu. Jetzt schulde ich dir nichts mehr.«
Ein paar Sekunden blicke ich stumm das Känguru an.
»Aha«, sage ich.
»Schulden sind ein bisschen wie Gott«, sagt das Känguru.
»Wenn man nicht daran glaubt, muss man sie nicht fürchten.«
»Noch mal zum Mitschreiben«, sage ich. »Du behauptest jetzt also, dass du mir gar keine 4,95 schuldest?«
»Genau«, sagt das Känguru. »Und wenn jetzt zum Beispiel alle so tun würden, als hätte Berlin keine Schulden mehr, dann hätte Berlin auch keine Schulden mehr.«
»Ja«, sage ich, »aber warum sollten das alle Gläubiger tun?«
»Das ist das Schöne daran«, sagt das Känguru. »Es reicht, wenn’s die Schuldner tun. Wenn sich die alle einig sind – das wären dann nämlich ungefähr 99,9 Prozent der Weltbevölkerung –, könnten die Gläubiger kommen und sagen: »Ey, ihr habt Schulden bei uns«, und wir stellen uns einfach dumm und sagen: »Weiß ich nix von …«
»Hm«, sage ich.
»Und jetzt stell dir vor, wenn einfach alle so tun würden, als hätte keiner mehr Schulden. Dann gäbe es keine Schulden mehr. Das ist doch irre. Da lässt man die Leute verhungern und erfrieren, aber nicht weil’s an Häusern oder Käsestullen mangelt, sondern nur wegen Hirngespinsten.«
»Ja, aber wenn man deinen Vorschlag in die Tat umsetzt, dann würde, glaube ich, das ganze Weltwirtschaftssystem zusammenbrechen«, sage ich.
»Umso besser«, sagt das Känguru. »Taugt eh nix.«
Marc-Uwe Kling: Ursprüngliche Akkumulation
Wir stehen am Hauptbahnhof. Das Känguru muss mal. Ich muss auch. Allerdings nicht aufs Klo, sondern nur davor warten. Nach einer Minute kommt das Känguru zurück.
»Ist dir klar, dass die meisten Krisentheorien des Kapitalismus, die den baldigen Zusammenbruch vorhersagen, daran kranken, dass sie unterschätzen, wie viele einst wertfreie Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens noch der kapitalistischen Verwertungskette anheimfallen können, um solchermaßen die Krisentendenzen durch eine quasi erneute ursprüngliche Akkumulation abzuschwächen?«, fragt das Känguru.
Ich seufze.
»Brauchste Geld fürs Klo?«, frage ich.
»Ich sehe, wir verstehen uns.« [1]
[ 1 ]Marc-Uwe Kling: Die Känguru Chroniken
© 2009 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Barbara Kuster: Bekennende Preußin
Ich darf mich kurz vorstellen, Kuster, Potsdam, bekennende Preußin! Ja, man kann sich ja wieder, ganz öffentlich, zu Preußen bekennen, wo wir jetzt doch eine Preußin als Kanzlerin
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