"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
ich alleine weiter. Aber allein war ich nun wirklich nicht. Es waren immer Läufer vor und hinter mir, außerdem gerade an der Friedrich-Ebert-Strasse viele Zuschauer. An der alten Hauptpost hatte eine Sambagruppe Stellung bezogen und trommelte wie wild los. Gänsehautfeeling pur. Ich genoss den Lauf aus vollen Zügen.
Nur auf dem langen Auedamm verließen mich doch allmählich meine Kräfte und ich musste schon ganz schön kämpfen. Hier standen leider sehr wenig Zuschauer, die einen noch mal anspornen konnten. Doch zum Glück hatte sich dort Michael Simon, ein Arbeitskollege von mir, postiert. Er lief ein paar Schritte mit mir und machte mir für die restlichen 1,5 Kilomter Mut. Ich war ihm sehr dankbar für diese Unterstützung, die genau im richtigen Moment kam.
Auch der längste Auedamm hat einmal ein Ende. Es ging links über die Brücke und nach einer letzten Kurve war endlich das Ziel zu sehen. Noch einmal mobilisierte ich meine letzten Kräfte. Vorbei an den aufgebauten Tribünen und rein in den Zielkanal. Froh war ich, es hinter mir zu haben. Ich ging weiter zu den begehrten Getränken. Unterwegs wurde mir meine Medaille umgehängt, und stolz wie Oskar nahm ich mir erstmal eine Apfelschorle. Sie zischte nur so runter, dann holte ich mir ein alkoholfreies Weizenbier. Anschließend setzte ich mich an unserem ausgemachten Treffpunkt und wartete auf die Anderen. Nach und nach trudelten alle ein. Jeder sah erschöpft, aber glücklich aus. Nach einem weiteren Weizenbier holtenwir unsere Urkunden, anschließend unsere Kleiderbeutel und gingen zum Duschen. Frisch geduscht und umgezogen tranken wir ein drittes Weizenbier, bevor wir nach Hause fuhren.
Wir waren uns einig, im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei zu sein. Vielleicht fit für den Marathon?
Aus einem Läuferleben
Ein Sonntagmorgen im Dezember um sieben Uhr: Ein „normaler“ Bürger dreht sich genüsslich noch mal um und freut sich, dass er nicht bei eisiger Kälte und Regen aus den Federn muss. Ein Läufer aber springt förmlich aus dem Bett. Gut gelaunt und hoch motiviert schnappt er sich seine am Abend zuvor gepackte Sporttasche und los geht’s zum Wettkampf.
Während der „normale“ Bürger sich noch tiefer in die Kissen wühlt, meldet sich der Läufer zum 10-km-Lauf an. Er befestigt seine Startnummer, zieht seine Laufschuhe an und begibt sich trotz widriger Wetterbedingungen an den Start. Aber nicht, dass der „normale“ Bürger denkt, der Läufer wäre allein, nein es stehen viele Gleichgesinnte dort. Man kennt sich und freundliche Grüße und Aufmunterungen werden ausgetauscht.
Der „normale“ Bürger kämpft sich in den neuen Tag, der Läufer kämpft sich über die Strecke. Mit jedem Kilometer wird er glücklicher und möchte keinesfalls mit dem „normalen“ Bürger tauschen, der immer noch nicht richtig wach ist. Nach etwa einer Stunde ist derLäufer im Ziel, hoch zufrieden und ausgeglichen. Der „normale“ Bürger hat sich gerade mal bis zum Frühstückstisch geschleppt, wo er nörgelnd und müde nach dem ersten Kaffee verlangt.
Der Läufer dagegen genießt seinen Kaffee und das Stück Kuchen dazu mit reinem Gewissen und fachsimpelt mit Gleichgesinnten über Laufstrecken und anstehende Wettkämpfe. Er fühlt sich frisch und munter und ist bereit für einen schönen, aktiven Sonntag. Nun, es liegt an jedem selber, ob er zu den „normalen“ Bürgern zählt oder zu den Läufern.
Ruth Lerche
„Fotoshooting“ im Toten Meer
Ich lief einen Halbmarathon in Jordanien und trabte schon etwas erschöpft bei 30 Grad dahin. Es muss so ca. vier Kilometer vor dem Ziel gewesen sein, da holte mich ein junger Mann ein und versicherte mir in gebrochenem Englisch, dass bald „finnish“ käme. Eine Unterhaltung war zwar aus verschiedenen Gründen nicht möglich, aber ich fragte ihn, wo er herkomme und wie alt er sei. Er kam aus dem Gastgeberland und war 22 Jahre alt.
Als ich ihm sagte, dass ich aus Deutschland käme und ihm mein Alter verriet (ich war 73 Jahre), blieb er abrupt stehen, schaute mich immer wieder an und schüttelte mit dem Kopf. Vielleicht hat er sich seine Mutter oder seine Oma vorgestellt. Jedenfalls kam er aus demStaunen nicht mehr heraus. Wir liefen und wünschten uns das Ziel herbei. Er fragte mich plötzlich, ob er mit mir Hand in Hand ins Ziel laufen dürfe. Was wir dann auch wirklich taten, freundlich bejubelt von vielen, vielen Menschen.
Auch mein Mann, der mich am Ziel in Empfang nahm, war erstaunt
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