Ich lebe lieber hier und jetzt
bevor sie sich den
Hörer ans Ohr hielt. Verdammt, und was sollte sie jetzt bitte sagen?
Dan fand den Gedanken, ohne
Erziehungsberechtigte in einem cool-abgewrackten Szeneviertel wie Williamsburg
zu wohnen, gar nicht mal uninteressant, und vielleicht war Vanessa die ideale
Mitbewohnerin für ihn. Sie könnte ihre Filme drehen, er könnte schreiben. Ihre
WG wäre so eine Art Miniatur-Yaddo, wie diese legendäre Künstlerkolonie, in der
sein Vater in Hippiezeiten mal gewohnt hatte. Vielleicht kamen sie sich auch
wieder näher und würden so hemmungslosen Sex haben, wie angeblich die
Schriftsteller und Künstler in den Siebzigern.
Nur ging ihm das jetzt alles
ein bisschen schnell. Er räusperte sich. »Ich müsste mit meinem Vater drüber
reden. Wir gehen nachher zur Feier des Tages chinesisch essen. Wie ist es,
sollen wir uns danach auf dieser Party in der West Street treffen?«
Vanessa war alles andere als
eine Partygängerin, aber Dan hatte Grund zu feiern. »Können wir machen.«
»Ich kann meinen Vater dann ja
mal fragen, was er von der Idee hält. Ich stell mir das schon irgendwie cool
vor, bei dir einzuziehen.« Dan klang selbst ziemlich cool.
Vanessa fühlte sich wie die
Hauptdarstellerin in einem dieser Kitschfilme, die sie aus tiefster Seele
verabscheute. Wie das Mädchen, das am Schluss glücklich mit einem liebenden
Ehemann in einem Einfamilienhaus wohnt, vor dessen Fenster seidene Vorhänge
hängen statt schwarz gefärbter Bettlaken wie bei ihr und Ruby.
»Cool«, entfuhr es ihr begeistert,
obwohl das eines der Wörter war, die sie normalerweise eher vermied. Sie
verabschiedete sich und gab das Telefon ihrer Schwester zurück, die immer noch
am Handy quatschte. »Kann ich mir von dir was zum Anziehen leihen?«, flüsterte
sie.
Ruby zog eine Augenbraue hoch
und nickte stumm.
Hey, das klingt ja wirklich
nach Party.
b ist ganz und gar nicht in feierlaune
Blair stieg aus dem Aufzug und starrte auf das selbst
bemalte Stoffbanner, das quer über der Eingangstür hing: »HURRA, BLAIR - DU
HAST ES GESCHAFFT!« Aa- rons lebhafter braun-weiß gefleckter Boxer Mookie kam
sofort angeschwänzelt und versenkte seine feuchte Schnauze zwischen ihren
Schenkeln.
»Verpiss dich!«, giftete Blair
ihn an. Sie hielt es einen kurzen Moment lang für möglich, dass ein Wunder geschehen
war. Vielleicht hatte ihr in Frankreich lebender schwuler Vater oder eine
andere gute Fee in Yale angerufen und die Zulassungsstelle überredet, sie doch
aufzunehmen. Okay, das war eher unwahrscheinlich, aber...
Ihre hochschwangere Mutter kam
schwerfällig um die Ecke. »Serena hat uns schon alles erzählt!«, begrüßte sie
Blair. »Warteliste, na und? Kein Grund, so miesepetrig zu schauen. Du bist so
gut wie drin!«
Blair zerrte ihre Jacke von den
Schultern und schleuderte sie auf den Barockstuhl in der Ecke. Mookies
Schnauze näherte sich schon wieder bedrohlich ihrer
Schamgegend. Sie vertrieb ihn
mit einem ärgerlichen Fußtritt. »So einfach ist das nicht, Mom!«
Dank der
Schwangerschaftshormone wucherten Elea- nor Waldorfs Haare wie verrückt und der
blond gesträhnte Bob war mittlerweile bis über die Schultern rausgewachsen.
Ein - wie Blair fand - extrem alberner Versuch, so auszusehen, als wäre sie
noch im normalen gebärfälligen Alter. Eleanor klatschte in die beringten Hände.
»Schmoll ruhig - wir feiern dich heute trotzdem. Im Esszimmer wirst du schon
sehnlichst erwartet!«
Eine Familienfeier. Auch das
noch!
Die Tafel war mit Eleanors
edelstem Kristallglas und Silber eingedeckt und das Essen stammte aus Blairs
Lieblings-Sushibar, dem »Blue Ribbon Sushi«. Cyrus und Aaron waren schon
mächtig in Trinklaune und selbst der zwölfjährige Tyler sah leicht
angeschickert aus.
»Und du hast gedacht, du
müsstest im Norwalk Community College mit dem gemeinen Volk studieren!«, rief
Aaron und schenkte ihr Champagner ein. »Wir wussten doch alle, dass du es
schaffst.«
Cyrus zwinkerte ihr mit einem
seiner blutunterlaufenen wässrig blauen Fischaugen zu. »Als ich mich seinerzeit
in Yale beworben hab, haben die mich glatt abgelehnt. Höchste Zeit, ihnen zu
zeigen, dass sie mich unterschätzt haben. Wenn du willst, trete ich ihnen kräftig
in den Arsch, um ihnen Dampf zu machen. Das tu ich sogar gern für dich.«
Blair verzog das Gesicht. Um
Gottes willen. Auf keinen Fall sollte in Yale bekannt werden, dass sie auch nur
entfernt mit Cyrus Rose verwandt war.
»Ich will später gar nicht auf
die Uni.« Tyler schlürfte
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