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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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bestimmt nicht da, sondern irgendwo im Flugzeug oder in’er Bahn!»
    Jossa starrte ihn an. Bewegte die Lippen, doch es war nur sein Zittern, seine Erregung, kein Versuch, Worte zu bilden. Nichts sprach dafür, daß Zweeloo log, und doch waren seine Sätze eine totale Umkehrung aller menschlichen Logik. Jeder Mensch war absolut einmalig, und niemand konnte zur selben Zeit an zwei verschiedenen Orten sein.
    Natürlich ist Jossa zu Hause bei sich und putzmunter dazu …
    Das hallte immer weiter nach.
    Und in Jossa wurde nun ganz mechanisch der Impuls ausgelöst, mit einer formelhaften Wendung auf Zweeloo einzugehen: «Erkläret mir, Graf Örindur, diesen Zwiespalt der Natur!»
    «Wieso denn Zwiespalt, mein lieber Mugalle, die Sache ist doch sonnenklar: Nichts geworden mit dieser Art von Fluchtversuch! Schon genial, doch längst nicht so wie das mit Ihrer Bank damals, den verschwundenen Millionen… Müssen Sie wohl noch ‘n Weilchen drauf warten!»
    «Herr Zweeloo, ich flehe Sie an…!»
    «Nu is ja gut, mein Lieber! Sie wissen ja, daß ich wirklich ‘ne Menge für Sie übrig hab, aber das hier, das…»
    «Ich bin Jossa, und Sie sind der größte Idiot zwischen Weser und Ems!» schrie Jossa.
    «Halt die Schnauze!» brüllte da einer der eben hinzugekommenen Gefangenen, von den anderen Nobby genannt, angelehnt an Nobby Stiles, den größten Klopper unter Englands Fußballern, klein und ziemlich zahnlos, tätowiert und offenbar der King in diesem Laden. «Wenn wir deinetwegen Ärger kriegen, kommst du nicht mehr lebend aus’m Duschraum raus!»
    «Jungs, bitte!» rief Kassau, aber augenzwinkernd. «Komm, Mugalle, ich leg dir den sanften Balduin mit auf die Zelle, dann könnt ihr wieder die Nacht durch Schach spielen…!»
    «Zweimal zwei ist vier», sagte Jossa. «Und da könnt ihr alle hundertmal behaupten, daß das fünf sei. Mein Gott, es muß doch einen Menschen hier geben, der beschwören kann, daß ich Jossa bin. Jossa, Jos-sa, Jos-saaa!»
    «Jetzt hatta schon wieda ‘n Anfall», sagte der sanfte Balduin und machte sich daran, Jossa lieb in die Arme zu nehmen.
    Jossa stieß ihn beiseite. «Meine Ex-Frau, Anja! Oder der Schlagersänger, der neulich hier gewesen ist, in’er Anstalt hier, der Große Manitou …!»
    Zweeloo sah auf seine Uhr. «Bei aller Sympathie, Mugalle, aber jetzt bist du uns lange genug auf die Nerven gegangen, mit deinem Blödsinn, Mensch! Los, nehmt ihm die Glasscherbe weg – und dann ab mit ihm, in die Arrestzelle runter!»
    Da drehte Jossa durch, war ihm, als sollte er erschossen werden, die Binde vor die Augen und dann auf den Hof hinaus geschleift, wo das Peloton schon stand, war außer sich vor Todesangst, wollte losrennen wie das Gnu vorm Löwen, flüchten, mehr, sich zu betäuben als zu retten, sich im Ende auflehnen gegen die Gesetze des Kosmos; doch sie packten ihn von allen Seiten.
    Sie nahmen ihm seine Identität, und damit töteten sie ihn; insofern hatte er recht.
    Er kam noch einmal frei, sprang Kassau an, entriß ihm die Schlüssel, schlug ihn zu Boden, jagte auf die Gittertür zu, registrierte einen absurd-irren Impuls in dieser Sekunde, sah sich beim american football mit dem Ball in der Hand durch die rempelnden Körper der anderen zur touch down- Linielaufen. Jossa, Jossa! Wurde, als er aufschließen wollte, von den Beamten nach hinten gerissen und getreten und geschlagen, in Notwehr selbstverständlich, zur Eigensicherung, auch noch, als er halbtot auf dem Boden lag. Schrie und schrie und fühlte dennoch nichts, war so in Raserei geraten, daß es ihn betäubte, war Voodoo-Tänzer, Derwisch, war berauscht von seiner Kraft, sich aufzulehnen gegen alle Übermacht, genoß es geradezu: diesen Rausch aus der unmäßigen Aufwallung, dieses irrsinnig-explodierende Gefühl, aus der engen Kapsel des Alltags, aus seiner dürren Existenz, endlich mal, hinaus gesprengt zu werden in eine gänzlich andere Welt: die des Verglühens, des Untergangs, des Sterbens, diesen Orgasmus des Schmerzes zu erleben.
    Gasse und Spießrutenlaufen, und als er durch war, banden und verschnürten sie ihn, schleppten ihn in den Keller zur Arrestzelle runter, stülpten ihm noch einen Kopfschutz über, wußten, daß er so lange gegen Tür und Wände rennen würde, bis er dann bewußtlos liegen blieb.
    Und so kam es denn auch.

 
    Martin Mugalle frei in Bramme II
     
     
     
    Mugalle war auf dem Wege zum Briefkasten, hatte auf Jossas Maschine und natürlich mit dessen Namen gezeichnet, den großen

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