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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Höhe, sondern unmittelbar auf dem Zementfußboden. Eine nervös zuckende Neonröhre war in die Decke eingelassen, von Panzerglas und Eisengitter doppelt geschützt, ließ den Arrestanten keine Chance, ihre Scherben zum Aufschlitzen der Pulsadern zu nutzen. Der Raum war länglich, doch nicht viereckig zu nennen, denn alle Ecken waren abgerundet, sollten die Verletzungsgefahr herabsetzen, wenn die Eingesperrten, völlig ausgerastet und außer Kontrolle, mit dem Kopf gegen die Betonwände hämmerten.
    Diese Phase hatte Jossa hinter sich, auch die Versuche, sich einen Finger zu brechen und Zweeloo damit zu zwingen, ihn ins Krankenrevier bringen zu lassen, zeigte eine Stabilisierung der Psyche, die alle erstaunte. Dies weniger, weil sie ihm eine Menge Tranquilizer eingespritzt hatten, sondern weil er es geschafft hatte, die Dinge gänzlich anders zu sehen: Welch irres Abenteuer, suggerierte er sich, welch Wahnsinnsstory! Richtig ausgeschlachtet, war das Gold wert später, machte seinen Namen bundesweit bekannt, brachte ihn in Talkshow-Runden und auf stern- und Spiegel-Seiten, hundertfach Kontakte, groß Karriere zu machen, weg vom Brammer Tageblatt. Die Verwechslung mit Mugalle, das war das Große Los für ihn! Und die Angst, hier nicht mehr rauszukommen, die nahm er sich mit dem rationalen Kalkül, daß ja Mugalle draußen ganz schnell scheitern mußte, in der Zeit der Rasterfahndung keinerlei Aussichten hatte, mit seinen versteckten Millionen unentdeckt zu bleiben, alsbald nicht nur Undercover-Agenten und Staatsschützern auffallen mußte, sondern auch jeder Menge Unterwelt-Hyänen, die hinter seiner Beute her waren, auf eine Dummheit lauernd, die auch der Gescheiteste begeht.
    Jossa war also vergleichsweise heiter gestimmt, euphorisch fast, obwohl er wußte, daß die nächste depressive Phase kaum aufzuhalten war; hätte sich auch liebend gern den größten Lustgewinn gegönnt, den Männer in dieser Einsamkeit im allgemeinen hatten, schaffte es aber nicht, sein Spielchen zu machen, denn über ihm hing lauernd und alles abtötend ein kleines gläsernes Auge, fing ihn gnadenlos ein, umfing ihn wie ein Quallengelee, übertrug auch die kleinste seiner Regungen auf die Bildschirme berufszynisch spottender Wächter, die auch solche Peepshow gerne genossen.
    So las er wieder in der Bibel, jetzt die Klagelieder Jeremias. «Ich bin ein elender Mann… Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich muß des Guten vergessen… Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Galle getränkt bin…» Wermut, Wermutbrüder… Er hätte gerne eine Flasche gehabt.
    Er spürte ein heftiges Grummeln im Darm, sprang auf und hockte sich über das in den Boden gelassene Loch, fand auch ein wenig Zeitungspapier, sich halbwegs den Hintern abzuwischen.
    Warum gerade ich!? Das ist doch Wahnsinn alles! Das kann es doch nicht geben?
    Er kehrte zur Bibel zurück, schlug sie wahllos auf, fand den 94. Psalm: «Dem Recht muß doch Recht bleiben, und dem werden alle frommen Herzen zufallen. Wer steht bei mir wider die Boshaften? Wer tritt zu mir wider die Übeltäter? Wo der Herr mir nicht hülfe…»
    Er dachte an Mugalle, sah ihn, wie er in dieser Sekunde das m.a.v. betrat und sich sein Frühstück orderte, haßte ihn in einem Maße, daß er die Bibel packte und sie zusammenpreßte, als sei sie Mugalles Hals.
    Die vertraute Melodie der Schlüssel und des Schließens ließ ihn hochschrecken. Kassau kam, und er glaubte, daß er nun seine Suppe bekam und sich draußen im Vorraum, nachdem die schwere Gittertür geöffnet worden war, wieder einmal waschen konnte, doch der Gruppenleiter hatte diesmal kein Tablett dabei.
    Obwohl absurd, hatte Jossa einen Gedanken, der ihm fast den Atem nahm, kannte das aus vielen Filmen. «Was denn, heute morgen zur Hinrichtung…?»
    «Nein, in die Zelle zurück.» Kassau schloß das Gitter auf. «Los, Mugalle, hoppla, avanti!»
    Jossa zuckte auch nicht mehr zusammen, als er Kassaus «Mugalle!» vernahm, die erste Silbe so tief und gedehnt, als wollte er das Muhen einer Kuh nachahmen, dann aber das g peitschenartig geknallt, alles weitere als Ausrufungszeichen gesetzt, nahm das hin wie eine Frau, die eben aus dem Standesamt kam, nun plötzlich einen anderen Namen trug, zwar irritiert, aber ohne anfallsartige Angst, sicher darin, dieselbe zu bleiben trotz des anderen Namens.
    Oben in der Zelle angekommen, war er glücklich, hatte das Gefühl, nach einer langen Reise, einem Horror-Trip, wieder zu Hause zu

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