Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
bin …
»Guten Morgen, Carla!« Wie ein Wirbelwind schneit Luzie ins Geschäft und schleppt dabei den Dreck mit hinein, den ich eben so sorgfältig draußen abgetreten habe. Luzie heißt wirklich so, was ich nach den vier Jahren, die sie jetzt bei mir arbeitet, noch immer völlig unglaublich finde. Und nicht nur, dass sie Luzie heißt – sie ist auch noch eine echte Luzie. Sozusagen der Schrecken der Straße.
Jedenfalls war sie das bis vor kurzem, als sie noch reihenweise Männerherzen gebrochen hat. Anfang Dezember hat sie sich verliebt. In Matze, einen richtig netten Typen. Sie hat ihn kennengelernt, als er hier bei uns im Laden einen Adventskranz gekauft hat, während ich mal kurz beim Chinamann war, um gebratene Nudeln mit Ei und Huhn zum Mittagessen zu holen. Und mit dem ist sie seitdem totaaal glücklich. Ist das zu fassen? Warum hat Luzie nicht diese blöden Nudeln geholt? Ich meine, nicht, dass ich ihr Matze nicht gönnen würde, mein Typ wäre er sowieso nicht. Aber warum hat Luzie so ein Glück und nicht ich? Warum will Tom lieber seine Exfreundin als mich? Ich seufze noch einmal. Wenn ich darüber nachdenke, werde ich noch trübsinniger, als ich es ohnehin schon bin.
»Na, mal wieder Valentinsdepri?«, fragt Luzie frech, während sie die Kartons mit frischen Blumen in den Laden trägt, die sie am Morgen beim Großmarkt geholt hat. Immerhin blieb mir das heute früh erspart – mittwochs muss Luzie immer um sieben losfahren, um die neue Ware zu holen. Montags und freitags bin ich dran, dann tuckere ich mit meinem Corsa zum Großmarkt, packe ihn bis unters Dach mit Schnittblumen, Topfpflanzen und Dekomaterial voll und gurke dann mehr oder weniger blind und als potenzielle Gefahr für den Hamburger Straßenverkehr in mein Geschäft. Ich wollte mir ja schon lange mal einen Kombi zulegen. Zum Beispiel, wenn ich Kinder hätte, dann würde sich das richtig lohnen …
»Du machst ja mal wieder ein Gesicht!«, reißt Luzie mich aus meinen Gedanken. »Lächel doch mal, mit der Miene kriegst du nie einen ab.«
»Schnauze«, brumme ich, gucke sie böse an und helfe ihr dabei, die neue Ware nach hinten in den Vorbereitungsraum zu bringen.
»Ich finde, du musst mal an deiner Einstellung arbeiten«, erwidert Luzie unbeirrt. »Wenn du ständig negative Schwingungen aussendest, musst du dich nicht wundern, wenn auch nur Negatives zurückkommt.«
»Und ich finde, wir müssen uns mal über das Thema ›Respekt im Angestelltenverhältnis‹ unterhalten«, maule ich.
Notiz an mich selbst:
In Zukunft unbedingt mehr
Autorität ausstrahlen!
»Außerdem«, fahre ich fort, »hab ich dir schon zigmal gesagt, dass du mich bitte mit deinem Esokram verschonen sollst.« Dann nehme ich einen Bund Margeriten aus dem Karton und stelle sie in einen der Plastikeimer, die ich zuvor mit Wasser gefüllt habe.
»Ach, komm schon«, meint Luzie und grinst. »Du weißt doch, dass ich keinen Respekt vor dir habe.«
»Ja«, seufze ich. »Nur frage ich mich manchmal, warum eigentlich nicht.«
»Weil ich«, stellt sie selbstbewusst fest, »die beste Mitarbeiterin bin, die du dir überhaupt wünschen kannst.«
Da hat sie leider recht. Seit Luzie bei mir arbeitet, hat sich der Umsatz überaus erfreulich entwickelt. Mit ihrer freundlichen, offenen Art schafft sie es, den Kunden meistens mehr aufzuschwatzen, als sie eigentlich wollten. Und, na ja, eigentlich ist Luzie auch wirklich nett. Außer wenn sie mich gerade damit aufzieht, dass ich am Valentinstag schlechte Laune habe.
Draußen klopft jemand laut gegen die Scheibe. Eigentlich öffnen wir erst um zehn.
»Soll ich oder willst du?«, fragt Luzie.
»Ich mach schon«, meine ich und gehe nach vorn. Draußen steht Ingo. »Ach, du bist es nur«, sage ich und lasse ihn rein.
»Was für eine überaus freundliche Begrüßung für deinen besten Freund!« Er klopft sich ein paar Schneeflocken von seiner Daunenjacke. In seinen schwarzen Haaren haben sich ebenfalls ein paar Kristalle verfangen. Seine Brille ist beschlagen, sodass man seine blauen Augen dahinter nur erahnen kann. Er nimmt sie ab, holt ein Taschentuch aus seiner Jacke, putzt die Gläser und setzt sie wieder auf.
»Sauwetter«, stellt er fest.
»Was erwartest du?«, meine ich und zucke mit den Schultern. »Ist eben Valentinstag.«
Sofort tritt ein etwas mitleidiger Ausdruck auf sein Gesicht. »Hat Tom sich mittlerweile noch mal gemeldet?«
»Wer?«
»Okay, er hat sich also nicht gemeldet.«
Ich schüttele den Kopf.
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