Ich Lieb Dich Nicht, Wenn Du Mich Liebst
Lösungen aufzuspüren â aber wir pathologisieren nicht.
Probleme ohne Pathologie
Während meiner Ausbildung hatte ich Schwierigkeiten, die Standardtheorien über die Persönlichkeiten, die in unseren Büchern aufgeführt waren, zu akzeptieren. Jede Theorie schien eine sehr eloquente Erklärung dafür zu sein, wie verdreht wir doch alle sind. Punkt.
Nehmen wir doch einmal die berühmteste Theorie von allen â Freuds Psychoanalyse. Buchstäblich Tausende von Büchern wurden von Freud und Neofreudianern produziert, um zu erklären, wie und warum jeder von uns in eine bestimmte psychopathologische Kategorie fällt. Sie können sich etwas aus dem pathologischen Füllhorn aussuchen: Hysterie, Zwangsneurosen, Masochismus, NarziÃmus, Melancholie â und das sind nur die harmlosen Krankheiten. Unglücklicherweise versorgt uns die psychoanalytische Theorie mit der genauen Kenntnis dessen,was zu einem gesunden, angepaÃten Verhalten gehört. Laut Freud ist das Beste, was wir tun können, andauernd gegen »die Psychopathologie des alltäglichen Lebens« anzukämpfen, um sie so gering wie möglich zu halten.
Als ich mit der Behandlung von Patienten anfing, spürte ich, daà sich eine negative, feindliche Note in unsere Gespräche schlich, wenn ich die Probleme der Patienten nach den Regeln der Psychoanalyse interpretierte. Diese Interpretationen machten meine Patienten von der Therapie abhängig, so wie eine Krebsdiagnose den Patienten immer wieder zur Behandlung kommen läÃt. Auf eine sehr subtile Art untergrub dies auch die Selbstachtung und Würde meiner Patienten. Doch ohne Würde ist die innere Stärke einer Person verkrüppelt und damit auch ihre Fähigkeit, sich zu verändern.
Aus diesem Grund warne ich so sehr vor den Gefahren der Pathologisierung. Doch es gibt sicher Menschen mit sehr tiefsitzenden Problemen, die immer wieder zu ungesunden Beziehungen führen. Ich fragte mich, ob es möglich war zu erkennen, wie ernst diese Probleme waren, ohne die ohnehin schon stark angeschlagene Selbstachtung zu untergraben.
Dann stolperte ich während meines Praktikums über ein Buch aus den fünfziger Jahren, das kein Geringerer als Timothy Leary geschrieben hatte. Als Leiter eines Projekts der Kaiser Foundation hatte Leary geholfen, ein neues Modell der menschlichen Persönlichkeit zu entwickeln, das er Interpersonelle Psychologie nannte. Diese Theorie basierte auf den bahnbrechenden Ideen des Psychiaters Harry Sack Sullivan und bot eine revolutionäre Denkweise über menschliches Verhalten an: Sie legte ebensoviel Wert auf gesundes wie auf krankhaftes Verhalten, und sie bot eine überzeugende »nicht-pathologisierende« Grundlage für die Diagnostizierung an.
Die Theorie baut im Grunde darauf auf, daà »Probleme« der Persönlichkeit in Wirklichkeit kreative Verarbeitungsmechanismen sind, die während einer streÃreichen Kindheit entwickelt wurden. Ein Kind wird auf eine herausfordernde familiäre Umgebung so reagieren, daà es lernt, wie es am besten emotional überleben kann. Deshalb entwickelt es bestimmte Verhaltensweisen â bestimmte »interpersonelle Stile« oder Stärken. Aberoft geht dies auf Kosten der Entwicklung anderer, ebenfalls wichtiger Stärken. Ich fand diese Theorie erfrischend heilsam, weil sie weder negativ noch fatalistisch ist. Statt dessen lobt sie die Anpassungsfähigkeit von Menschen in schweren Situationen, und sie deutet auch auf eine Lösung hin: Ãberentwickelte Stärken durch die Förderung wenig benutzter interpersoneller Stile auszugleichen. Es handelt sich hier um einen Ansatz, der die Würde eines Menschen nicht berührt und Ergebnisse bringt.
Learys Arbeit wurde in dieser Zeit so beachtet, daà sie ihn auf den Gipfel akademischer Würden brachte â er wurde Professor in Harvard. Unglücklicherweise warfen seine berüchtigten Experimente mit LSD einen Schatten auf seine brillante Theorie der Persönlichkeit. Erst in den letzten Jahren haben die Psychologen seine bahnbrechende Arbeit wiederentdeckt und führen sie fort.
Die interpersonellen Stile *
Interpersonelle Psychologie beginnt mit vier grundlegenden Verhaltensmöglichkeiten, die unseren Interaktionen mit anderen Menschen zugrunde liegen. Wie Yin und Yang treten sie paarweise auf:
Kontrolle/Unterwürfigkeit
Das sind die Möglichkeiten,
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