Ich Lieb Dich Nicht, Wenn Du Mich Liebst
»verpetzte« seinen Vater am Abendbrottisch, und Ginny merkte, daà sie etwas tun muÃte. Sie suchte Hilfe bei einem Psychotherapeuten.
Die Kindheit der lieben Unterlegenen.
Allem Anschein nach ist die Familie der lieben Unterlegenen so liebevoll und heil wie Ginnys. Der Haken war nur, daà sie den »lieben kleinen Engel« spielen muÃte, um mit Liebe und Akzeptanz belohnt zu werden.
»Mein älterer Bruder und mein Vater hatten ewig Streit. Ich konnte das nicht verstehen. Vater war so lieb zu mir; wir verstanden uns groÃartig. Ich glaubte, mein Bruder verursachte absichtlich Streit, und ich sagte ihm oft, daà alles gut wäre, wenn er nur damit aufhören würde.«
In der Therapie entdeckten Ginny und ich, daà der Kampf zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder sie entsetzte. Ihre liebevollen Gefühle für ihren Vater überdeckten nur wenig ihre bodenlose Angst vor ihm. Von klein auf hatte sie gelernt, daà Liebsein, Hilfsbereitschaft und ein angenehmes Wesen einen Schutzschild vor dem Zorn ihres Vaters bildeten. Als sich dieser Schutzschild verhärtete, verlor sie andere interpersonelle Möglichkeiten: die Fähigkeit, für Ideen und Meinungen einzustehen, sich zu behaupten, unabhängig und selbstbewuÃt zu sein.
Das »schwarze Schaf« wie Ginnys Bruder und der »liebe kleine Engel« wie Ginny kommen oft in einer Familie vor. Wenn sie gebeten werden, mit den harten Forderungen der Eltern konform zu gehen, opfert das schwarze Schaf die Bindung (Liebe) für die Trennung (Autonomie). Der Engel wiederum zieht die Bindung der Trennung vor. Mädchen sind viel anfälliger dafür, die »Lieben« zu werden, als Jungs, weil sie durch ihre geschlechtsspezifische Rolle noch darin bestärkt werden.
Die liebe Unterlegene und die Liebe.
Liebe Unterlegene könnten Schwierigkeiten haben, Liebe zu finden. Ihr interpersoneller Stil, so erfolgreich er sie in ihrer Kindheit vor einer Zurückweisung schützte, scheint zu einer Zurückweisung bei Liebesaffären geradezu einzuladen. So war es bei Ginny.
»Ich war diejenige, zu der jeder mit seinem Liebeskummer kam â ob es nun Männer oder Frauen waren. Aber in der High-School hatte ich selbst keinen Liebeskummer â weil ich keinen Freund hatte. Meine Freundinnen sagten mir,das wäre so, weil die Jungs mich für zu âºreinâ¹ für sie hielten.«
Weil sie so lieb war, hatte sich Ginny fast zum Neutrum gemacht. Sie war nicht aufregend oder eine Herausforderung oder interessant für das andere Geschlecht. Die liebe Unterlegene wird gern als Freundin akzeptiert, weil sie so viel gibt. Das trifft ebenso auf ihr männliches Gegenstück, den »Kümmerer«, zu. Er würde alles für Sie tun und beschränkt sich gelegentlich auch nur darauf. Männliche und weibliche Unterlegene dieses Typs gehen in die gleiche Falle: Ihr Eifer, zu gefallen und gemocht zu werden, entbehrt der Spannung, die für die Liebe lebensnotwendig ist. Sie verlieren die Anziehungskraft, die Autonomie verleiht. Nach ein oder zwei Verabredungen beginnt der oder die liebe Unterlegene die Worte zu fürchten: »Ich mag dich als Freund, aberâ¦Â«
Wenn die liebe Unterlegene schlieÃlich Liebe findet, dann ist es oft die von jemandem, der entweder körperlich oder psychisch â oder beides â kaputt ist und der Pflege bedarf. Das war bei Ginny und Frank der Fall. Er erholte sich gerade von einem Motorradunfall; sie war seine Physiotherapeutin. Sie heirateten, drei Monate nachdem sie sich kennengelernt hatten, und sie hörte auf zu arbeiten, als sie schwanger wurde.
Anfangs war Ginny von der Ehe und Frank begeistert. Doch es war ein einseitiges emotionales Arrangement, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Frank, vollständig genesen, ausbrach. Ginny sprach für viele liebe Unterlegene, als sie sagte:
»Ich fühlte mich beinahe so, als ob ich mein Ziel erreicht hätte und jetzt nur eine gute Frau sein muÃte und nicht zuviel erwarten sollte. Ich wuÃte, es gefiel ihm, wenn ich alles für ihn tat. Ich wollte es für ihn tun. Aber wenn man fast nichts zurückbekommt, fängt man an, sich zu fragen, was bei einem nicht stimmt.«
Wenn die Liebenswürdigkeit der lieben Unterlegenen den Partner nicht freut, wie es bei den Eltern der Fall war, dann ist sie verloren. Ihre grundlegende Strategie, etwas zu verarbeiten, besteht im Liebsein. Doch
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