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Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können

Titel: Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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findest, auch das der Eibe?
Ich mag die Antwort nicht, ich schäme mich dafür, für diese Hoffnung auf den Schlag des Schicksals.
Wenn’s passiert, passiert’s, denke ich und schaue weg.
Gleich darauf rüffle ich dich an: Anschnallen, schäl dir den Apfel, guck, ob du auch alles Grüne ausspuckst. Schäme mich.
Dann wieder liebe ich dich wahnsinnig.
Deine großen, klaren, fernen Augen,
dein Kindergesicht, das keine Erfahrung zu prägen scheint. Du bist zehn.
Deinen Duft und dein Schlafgesicht neben mir.
Die überraschenden Aussagen, manchmal, wenn du tippst, wenn plötzlich diese Stimme erscheint, die deine eigene ist, aus deinem Inneren, ganz kurz, wirklich du selbst, kleine Kostbarkeiten, bewahrt und weitergegeben. Wie die Ahnung eines verborgenen Landes.
Ein Orakel, das lange schlief und das zu hören einen tief, tief berührt.
Die Litanei hat kein Ende. Es hört ja nicht auf.
Warum?
Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum? Warum?

Epilog
    Richard Sennett schreibt in seinem Buch über Intimität und Öffentlichkeit, dass die Zurschaustellung des Privaten die Ausbildung einer funktionierenden Öffentlichkeit zerstöre, in der die Menschen demokratisch und aufgeklärt miteinander umgehen könnten. Jede Öffentlichkeit sei darauf angewiesen, dass das Individuum sich dafür in eine Rolle begebe, die mit seiner Privatheit eben nur teilidentisch sei. So wie in der Kunst: ohne Rolle kein Theater. Oder in der Gesellschaft: ohne das Korsett des Benehmens kein Miteinander. Oder in der Politik: ohne abstrakte Zielsetzungen und ohne Kompromiss keine gemeinsamen Handlungen.
    Ich schaffe es einfach nicht, so etwas zu lesen, ohne mich zu fragen, ob ich nicht der Untergang des Abendlandes bin, wenn ich das hier schreibe, ob ein so kompromisslos offenes Buch über mich und mein Kind nicht tut, wovor Sennett warnt?
    Was will ich denn mit diesem Buch? Will ich beachtet werden? Aber ja! Will ich mal jammern dürfen? Na und wie! Am Ende noch Geld damit verdienen? Wäre nicht schlecht, schließlich zahlt die Kasse weder Simons Reittherapie noch ein ABA -Training.
    Mir wird ganz anders.
    Natürlich könnte ich es mir einfach machen und auf die gesellschaftliche Relevanz des Themas Behinderung und Inklusion verweisen, das hier ja mitverhandelt wird.
    Als ich Simon eine Marke prägen ließ, die ich ihm um den Hals hängen wollte, falls er mal wieder weglief – sein Name sollte draufstehen, eine Telefonnummer und, der Kürze halber: »Ich bin Autist und hilflos« –, als ich diese Marke also in Auftrag gab, schaute mich der wackere Handwerker an und fragte, was für eine Hunderasse das sei: Autist.
    In den USA , habe ich kürzlich gelesen, sei eines von 150 Kindern autistisch, Tendenz steigend. Sicher wird es Zeit, dass die Menschen sich mit dem Phänomen bekannt und sich Gedanken machen, wie damit umzugehen ist. »Der gehört doch weggesperrt«, wie ein alter Mann meinte, dem Simon in einem Lokal unversehens durch die Haare fuhr, kann es ja nun nicht sein: Die Meinung markiert wohl auch nicht mehr den Mainstream, stirbt aber trotzdem nicht aus und beschert einem immer wieder eine Nacht, schlaflos vor Wut und Hilflosigkeit. Jede solche Erfahrung, jede Nacht weniger wäre ein Fortschritt. Also klären wir auf.
    Sicher wäre ich froh, gesellschaftliche Debatten anzustoßen: über sinnvolle Einrichtungen für Autisten, in denen sie intensiv betreut werden, zugleich aber intellektuell nicht verhungern müssen, über geeignete Schulen, die das Thema Inklusion durch ein ganzheitliches Menschenbild bearbeiten, in dem das Andersartige tatsächlich seinen Platz hat. Schulkummer ist etwas ganz Typisches für Familien mit Autisten.
    Stoßen wir Diskussionen an über eine die Familien entlastende Betreuung, denn noch immer ist es so, dass die schwierigen Autisten, die weder ins körper- noch ins geistig behinderte Schema passen, überwiegend zu Hause leben, versorgt von Eltern, die sich aufopfern, bis sie dann nicht mehr können und ihre vierzig-, fünfzigjährigen Kinder doch endlich abgeben müssen. Die Leiterin der Tagesstätte für erwachsene Menschen mit Autismus sagte mir, dass viele der Eltern, das sind Fünfzig- bis Sechzigjährige, die

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