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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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erfuhr, änderte seinen Zeitplan. Am Nachmittag lag er nicht auf dem weißen Frotteetuch mit der grünen Klammer, am Nachmittag saß er auf seinem alten Platz unter der >Dame mit Hut<, gegenüber Elvira, neben ihr die Nichte, zuletzt im Kurheim gesehen, im verwaschenen Dirndl, jetzt modisch in Haar und Kleidung. Babette möchte sich verändern. Er habe doch seine Hilfe angeboten. Jetzt brauche man seinen Rat. Selbstverständlich will er helfen. Wie versprochen. Er wird dafür sorgen, daß sie in München bleiben kann. Er muß an seinen Sohn denken. Sie wird ihm gefallen. Ein Vater sieht so was. Nach Elviras Einleitung stellt er die bei Verkäufern so beliebte, unpersönliche Frage:
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Leise beginnt die Morgenfreude, zählt mit zarter Stimme Wünsche auf, recht vielseitige, erstaunlich zielstrebige, hält für alles, was sich vielleicht nicht realisieren läßt, bescheidenerweise Alternativen bereit: ein förderungswürdiges Kind und von großer Anmut, die sein Vaterherz entzückt. Entgegen ihren Äußerungen in der Johannisnacht ist Babette nicht nach München gekommen, um Geld zu verdienen, sondern um solches auszugeben. Sie hat sich für die Dolmetscherschule entschieden, für einen Beruf mit weltweiten Möglichkeiten, dessen Vorbereitung, wie sie sich ausdrückt, einen gewissen Rahmen erfordert: nettes, geräumiges Zimmer in guter Lage — Umgebung ist ja so wichtig! —, ausreichendes Taschengeld und ein bißchen was drüber hinaus. Diese Grundlage, so hat sie seine Hilfsbereitschaft verstanden, wolle er ihr freundlicherweise schaffen. Soweit sie könne, sei sie gerne bereit mitzuarbeiten. Natürlich komme nur eine gut bezahlte Nebenbeschäftigung in Frage, da sie die Hauptzeit ja ihrer beruflichen Ausbildung widmen müsse.
    Aus langjähriger Erfahrung mit gewerkschaftlich abgesicherten, sogenannten >Arbeitskräften< findet er ihre Ansprüche nicht einmal überhöht — Dümmere sind in der Regel unverschämter —, sondern einem jungen Menschenkind durchaus angemessen. Das Leben sei schließlich ein Kampf. Was er tut, fällt ihm wieder ein, geschieht letzten Endes für Golo.
    »Können Sie maschineschreiben?«
    »Nicht so sehr. Aber das läßt sich doch lernen.«
    Er nickt.
    »Können Sie telefonieren?«
    »Natürlich!«
    »Würden Sie sich zutrauen, einen Terminkalender zu führen?«
    »Warum nicht?«
    Elvira strahlte hin und her. Babettes väterlicher Gönner bemühte sich mehr als erwartet, stellt für Zimmersuche einen Wagen mit Fahrer zur Verfügung, rief täglich an oder kam vorbei, um zu raten, was noch zu tun sei. Elvira dankte ihm mit exzellentem Kaffee und verstand es, den Besprechungen jeweils einen Genuß anzuhängen, einen Spaziergang etwa, um der Nichte München nahezubringen, >unser München« wie sie sich mit einem Seitenblick auf ihn ausdrückte. Oft gab Babette das Stichwort, fragte nach einer Sehenswürdigkeit, nach einem Spezialitätenrestaurant, worauf die gute Tante umfassend antwortete, bis er beiden den Gefallen tat, sie hinzuführen. Dies nicht ohne Elviras heftigen Widerspruch. Seine Zeit sei zu kostbar, um sie für ihre kleinen Vergnügungen zu vergeuden, so glücklich sie auch wären, ihn dabei zu haben. Wenn er sich unbedingt opfern wolle, dann empfahl sie, nicht für Dinge, die er bereits kenne, dann solle er sorgsam wählen. Morgen abend zum Beispiel finde im Brunnenhof der Residenz, unter freiem Himmel also, ein Kammerkonzert statt, das schon rein optisch zu den Kostbarkeiten dieses Kultursommers zähle.
    Die Plätze waren ausgezeichnet. Elvira strahlte. Nach Zweisamkeit ist Dreisamkeit besser als Einsamkeit.

    Gepflegte Haushalte laufen geräuschlos wie auf Gummirädern und sind stets zur Repräsentation bereit. Wann Staub gesaugt wird, ist nicht festzustellen, daß gesaugt wird, regelmäßig, ist damit bewiesen, daß sich keiner finden läßt. Kein Duft, kein Laut dringen aus dem Wirtschafts- in den Wohnteil. Die Mädchen, aus einfachen Verhältnissen, in die gehobenen ihrer Arbeitgeber einmal eingearbeitet, scheinen den Gipfel der Vornehmheit im Lautlosen zu erblicken und sind nach einigen Dienstjahren für die Männer, denen sie ihr Jawort geben, auf Lebzeiten verdorben. Zu genau kennen sie das äußere Drum und Dran gehobener Daseinsweise, um je wieder darauf verzichten zu können.
    Gewissermaßen in Abendkursen holt der Erwählte Tischmanieren nach, lernt das Zeremoniell im Umgang mit Getränken und ausgefallenen Speisen, trägt Anzüge, die

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