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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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weg! Beim Galopp müssen’s eh sehn, daß’ droben bleib’n.«
    Die anderen Reiter sind aufgesessen und kommen wohlwollend näher. Vielleicht hätte er alle mit Handschlag begrüßen sollen? Zu spät. Er reitet im Schritt an — die Stute ist wirklich empfindlich.
    »Du kannst es ja noch«, tröstet die Tochter laut. »Dein Sitz ist ganz gut.«
    Sie reitet voraus, er und die anderen hinterher. Diese Reihenfolge paßt der jungen Araberdame nicht. Ohne sein Zutun zieht sie an Stephanies "Wallach vorbei an die Spitze. Stephanie rügt seinen Übermut:
    »Du mußt das Pferd halten, Papi! So geht das nicht.«
    Wie komm’ ich eigentlich dazu — könnte so gemütlich beim Frühstück sitzen — Schenkelschluß — Absätze runter
    Stephanie läßt ihren Vater nicht aus den Augen. Sehr gut sieht er aus, wie er da droben sitzt. Fragt sich nur, wie lange. Sie geht in leichten Trab, kommt neben ihn, was seiner Stute wieder nicht paßt. Auch sie fällt in Trab. Ihm paßt das noch weniger.
    »Nicht so verkrampft, Papi! Nur ganz wenig anheben. Schau so! Und jetzt aussitzen.«
    Es sticht ihn im Kopf; die Stute ist ungewöhnlich hart; jedenfalls kommt es ihm so vor; wenn Stephanie nur hinten bleiben wollte. Muß das der Lauf der Welt sein, daß die Jungen die Alten .quälen? Er ist außer Atem; die Schilddrüse meldet sich, das Herz.
    »Endlich kriegst du Farbe, Papi. Und jetzt Galopp.«
    Sie zieht an ihm vorbei.
    »Erst Schritt, Stephanie!« hört er sich rufen, gibt die entsprechenden Hilfen; die Stute gehorcht sogar. Weitere Bemühungen sind umsonst, jetzt macht sie, was sie will, erobert, im Jagdgalopp an dem Wallach vorbeiziehend, die Spitze zurück. Er hält sich fest; Stephanie ruft ihm etwas nach; die anderen sind weit zurück; quer durch eine Baumgruppe geht der Ritt, die Araberdame peilt die Stämme an wie eine Slalomläuferin; er bangt um seine Knie, um seinen Kopf und überhaupt.
    Was mach ich nur — was mach — mein Gott — das ist — eigentlich geht’s ganz — eigentlich herrlich — die kleine Drehung — das Glück dieser Erde — ist das ein Gefühl — ein Bach — das ist ein Bach — kaum freut man — was mach ich
    Er kommt wieder zu sich. Im Sattel. Schnaubend steht die Stute in der Wiese, Schaum vor dem Maul. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl überkommt ihn in diesen Sekunden der Atemlosigkeit nach ungewollter Selbstüberwindung. Dankbar tätschelt er die Stute am Hals.
    »Brav, mein Beduinenmädchen. Morgen bring ich dir Zucker mit.«
    Tief atmet er durch; jetzt erst kommen die anderen.
    »Papi, phantastisch!«
    Ein kleiner verwitterter Mann mit angeborenen Säbelbeinen, der die ganze Zeit als Schlußlicht hinterhergeritten war, zieht die speckige Mütze.
    »Meine Hochachtung. Den Bach nimmt die Cleopatra sonst immer allein.«
    Er blüht und glüht, dankt allen und tätschelt immer wieder die Stute, deren Namen er nicht mehr vergessen wird.
    »Ein bißchen Schenkelgehorsam soll schon sein.«
    Mit bleiernen Beinen stieg der Vater in den kleinen Wagen, sah seiner Tochter zu, wie sie im dichten Berufsverkehr dem angestrengten Wägelchen die erforderlichen Paraden gab, hörte, was sie sagte, daß die Mami ihn hätte sehen sollen, nickt zufrieden, vervollständigte in Gedanken die Liste derer, die ihn hätten bewundern können: Elvira, Hilde und alle Saaltöchter von der >Abendfreude<.
    Mitteilungsbedürftig lief Stephanie ins Haus. Aber ihre Mutter schlief noch. Zur Abkühlung wollte sie schwimmen. Mit ihm. Vor dem Spiegel zog er sich aus, um die verbesserte Durchblutung, die er zu spüren glaubte, auch zu sehen, fand sich von Anstrengung gezeichnet, weiß die Haut, wie immer. Bis auf einen roten Ring, den die enge Hose in seine nur bei anatomischen Kenntnissen noch ahnbare Taille gepreßt hatte, humpelte muskelfaul die Treppe hinunter, als müsse er jede Stufe >aussitzen<, schlurfte auf die Terrasse hinaus, sah den Schopf der Tochter im Wasser, zog den Bauch ein und federte in die beheizte Erfrischung.
    Ohne zu hören, ohne zu sehen, crawlt er bahnauf, bahnab, bis Stephanie ihn lobt. Sie gibt ihm einen Kuß, klettert heraus, er folgt ihr schnellend, keilförmig auf tänzelnden Beinen. Irgend etwas an seiner Statur scheint sie zu fesseln. Er läßt vergessene Muskeln tanzen.
    »Papi, was hast du denn da? Sieht aus wie Gürtelrose!«
    Die jungen Hände kitzeln auf dem Fleisch. Sie beugt sich vor, lacht.
    »Das kommt von der Reithose! Sieht aus wie ein Bluterguß.«
    Der Vater lenkt ab.
    »In diesem

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