Ich liebe mich
ausdrückte, nicht hinnehmen können. Sie erwartete seine Entscheidung. Im Interesse der Firma.
»Ich weiß, Hilde. Danke. Nichte eines Kriegskameraden. Meine verdammte Gutmütigkeit...«
Für die nächsten hundert Stunden mit Arbeit versehen, verließ die Unentbehrliche das Zimmer ihres Chefs. Neben ihrem Schreibtisch stand: Babette.
»Ich muß den Chef sprechen.«
»Ich kann Ihnen höchstens einen Termin geben.«
»Ich bin heute den letzten Tag hier.«
Blitzreaktion der perfekten Kraft.
»Sie können ihn sofort sprechen. Bitte.«
Schneller als erwartet, saß Babette auf dem grünen Sofa unter dem Stich von München und sagte, was sie sich zurechtgelegt hatte.
Der Chef betrachtete sie wohlwollend, ihre langen Hände, den schlanken Hals, den eigensinnigen Mund, lauschte ihrer Stimme. Er mußte sich konzentrieren, um sie zu verstehen. »Bitte lassen Sie mich gehen«, sagte sie. »Ich fühle mich hier nicht wohl. Ich kann auch zu wenig.«
Der Chef gab sich nachdenklich. Sie rührte ihn.
»Ich kann Ihren Entschluß verstehen, Babette. So sehr ich ihn bedaure. Ihre Tätigkeit hier lag zu sehr außerhalb ihres Metiers. Das hat Sie bedrückt. Unbewußt. Weil Sie sensibel sind. Dann kamen Sie nur für ein paar Stunden am Tag — das hemmte Ihren natürlichen Arbeitseifer. Der Weg war auch zu weit. Sie spürten, daß Sie Zeit verlieren. Das machte Sie unruhig. Wenn Sie daher glauben, nicht zu genügen, so spricht das nur für Ihr Verantwortungsgefühl. Sie sind sehr intelligent, mein Kind. Obwohl Sie kein Abitur haben. Es war mein Fehler. Wir kannten uns auch zu wenig. Was Sie brauchen, Babette, ist ein Job, der Ihnen Spaß macht, wie soll ich sagen, ein Hobby, das Geld bringt. Möglichst in Nähe der Dolmetscherschule.«
»Sie haben so viel Verständnis. Vielen Dank. Ich könnte mich als Fotomodell bewerben. Einige Mädchen in der Schule tun das.«
»Babette, davon rate ich Ihnen dringend ab! Ich kenne München und ich kenne die Welt. Da würde bald die Dolmetscherei zur Nebenbeschäftigung werden. Dafür sind Sie mir zu schade. Verstehen Sie mich recht. Ich habe eine gewisse Verantwortung für Sie übernommen — bitte, das soll Sie nicht belasten — und ich werde mich ihr nicht entziehen! Ich lasse jetzt ein Taxi kommen — nein Sie fahren nicht mit dem Omnibus. Suchen Sie sich in Ruhe etwas anderes. Und machen Sie sich in der Zwischenzeit keine Sorgen: Ich bin ja da.«
Sie steht vor ihm, lächelt tapfer, Dank strahlt aus den Mädchenaugen, Dank entströmt dem eigensinnigen Munde. Beidhändig hält er ihre schmale Rechte.
»Ich habe zu danken, Babette. Für Ihre Offenheit, Ihr Vertrauen. So etwas ist selten heutzutage. Halten Sie mich auf dem laufenden. Rufen Sie mich an, übermorgen um diese Zeit. Hier im Büro.«
Er sieht ihr nach, nimmt ihren Gang wahr, wendet sich der braungebrannten Hilde zu.
»Jetzt haben Sie Ihren Willen. War gar nicht so einfach.«
In seinem privaten Kalender macht er sich eine Notiz. Pünktlich wie verabredet meldet sich Babette. Während einer Sitzung. Er hatte Auftrag gegeben, ihn zu verständigen. Doch als Hilde verbindet, ist Elvira am Apparat.
»Babette sitzt hier und weint!«
Am frühen Nachmittag berieten sie in nervöser Dreisam-keit. Er rauchte, was er selten tat, ereiferte sich, daß es keine Halbtagsbeschäftigung geben sollte, außer der als Fotomodell. Elvira las halblaut aus dem Wochenprogramm des Kulturkalenders vor. Musikveranstaltungen etwas lauter. Er bedeutete, nichts zu übereilen, wobei er immer wieder auf die Uhr sah, erhob sich unvermittelt, drückte Elvira ein paar Scheine in die Hand, heimlich, aber so, daß die Nichte es bemerken konnte, ohne es bemerken zu müssen. Es ergab sich, daß sie im Taxi mitfuhr.
Bis zur nächsten Ampel schweigen sie. Erst bei grün greift er nach ihrer Hand.
»Wollen Sie mir einen Gefallen tun, Babette?«
»Warum nicht?«
»Ich glaube, Ihre Tante sorgt sich mehr, als sie zugibt. Sie ist in dem Alter... nun ja... Wir dagegen — das heißt Sie mein Kind — sind jung, sehen die Welt optimistischer, leichtsinniger, wenn Sie so wollen. Ich finde, es ist unsere Pflicht, Tante Elvira nicht unnötig zu belasten. Wir sollten in direkter Verbindung bleiben.«
Babette erweist sich als feinfühlige Nichte und belohnt seine Ritterlichkeit mit der Telefonnummer ihrer Wirtin. Wie aus dem Ärmel gezaubert, blitzt der goldene Kugelschreiber in seiner Hand.
»Die muß ich mir sofort aufschreiben! Paßt es Ihnen morgen um diese
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