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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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seine Bewegungen verändern, und lebt, von Freunden wie Bekannten beneidet, kultivierter, als er ist. Sein sozialer Aufstieg ist ebensowenig aufzuhalten wie das Matriarchat, das ihn ermöglicht. Zweitwagen steht auf der Liste, die Kinder werden studieren. So keimt die Gesellschaft von morgen in den Küchen von heute. Schwierigkeiten gibt es nur für die Arbeitgeber. Besonders bei Übergängen. Die mühsam angelernte Kraft geht, sobald sie alles beherrscht, die ungelernte rückt nach. Es knirscht im Getriebe des Haushalts.
    Golo lag auf einer Luftmatratze im Schwimmbecken. Sein Vater döste wie an jedem Samstag nach dem Mittagessen hinter einer Zeitung, zog Wochenbilanz und war mit sich zufrieden. Sehr zufrieden sogar.
    Schon früh um neun war die scheidende Perle von ihrem Zukünftigen, den sie als >Bräutigam< vorstellte, mit dem Wagen abgeholt worden; die verbleibende hatte den Vormittag mit Reinigen der oberen Etage und mit Kochen verbracht und kam erst jetzt dazu, das Erdgeschoß zu besorgen. Umsummt von motorgetriebenen Haushalthilfen, lag der Vater auf seinem Bett, telefonierte hinunter, erfuhr, das Geräusch sei unvermeidlich, nahm Hildes Ansichtskarte vom Nachttisch, um sie endlich genauer anzusehen: Meer, Strand, aus dem Boden gestampfte Hotelquader, sozialistische Devisensilos zu west-östlicher Massenwonne. Die vielen herzlichen Grüße aus dem sonnigen Mamaia, wo wir uns glänzend erholen! klangen stolz, wie alle Kartengrüße aus mehr als tausend Kilometer Entfernung. In einer Woche würde sie zurück sein.
    Der Staubsauger verstummte. Er schlief ein. Die Kirchturmuhr schlug drei. Das sind sieben Schläge: vier dunkle für die volle Stunde und drei hellere. Kaum war der letzte Ton profaner Zeitangabe verhallt, begannen die dicken Glocken des sakralen Läutwerks, immer lauter, denn es ist guter katholischer Brauch, am Samstagnachmittag den von fünf Tagen geräuschvoller Hast ausruhenden Bürger zu wecken, ihm einzuhämmern, daß er Christ sei, und die Andersgläubigen einzuschüchtern, zehn Minuten lang, Woche für Woche.
    »Aufdringliche Religion!« schimpft er laut, ärgert sich, daß er sich ärgert. Der Doktor fällt ihm ein, die >kleine Drehung<, die aus der Störung eine Übung im Sich-nicht-stören-Lassen macht. Wie soll er vorgehen? Den Lärm durch Konzentration gleichsam vom Ohr wegzudrängen, gelingt nicht. Er greift zur Zeitung, überfliegt, während die Glocken weiterdröhnen, den Mord der Woche, versucht eine uninteressante Leserumfrage über »Lärmbelästigung durch Funkstreifenwagen« genau zu lesen — ein Rentner hat sich dabei verstiegen, die motorisierte Polizei als SS unserer Städte zu bezeichnen.
    Es klingelt. — Am Fuß der Treppe trifft er seine Frau.
    »Ich wollte öffnen, Liebes. Weil das Mädchen weg ist!« sagt er atemlos.
    »Leg dich ruhig wieder hin. Dein Besuch kommt erst in zwei Stunden«, sagt sie beruhigend.
    Er wollte anmerken, daß es sich bei dieser Einladung nicht eigentlich um seinen Besuch, vielmehr um eine Gefälligkeit gegenüber der alleinstehenden Elvira handle, um einen Versuch, ihr die Nichte abzunehmen und mit jungen Menschen bekannt zu machen, wobei er insbesondere an den sich schwer anschließenden Golo gedacht habe und das wiederum mit dem ganz egoistischen Hintergedanken, dem Sohn eine Partnerin fürs Wasserskilaufen zuzuführen, da ihn dieser Sport, so gesund Schwimmen auch sein möge, zuviel Zeit und Kraft koste, er habe ja schließlich noch einen Beruf. Das wollte er sagen.
    Aber seine Frau war auf ein zweites Klingeln zur Tür gegangen. Ein Mädchen trat ein, aufgeputzt mit eigenen und fremden Haaren und Wimpern, las selbstsicher, um jeden Irrtum auszuschließen, das ausgeschnittene Inserat vor:
    »Zimmer mit eigenem Eingang, Bad und Fernsehen; Arbeit nur im Haus, geregelte Freizeit; sehr gute Bezahlung, 14 Monatsgehälter; Führerschein kann gemacht werden. Ist das richtig hier?«
    Es klingelte noch öfter. Seine Frau legte sich einen Text zurecht.
    »Guten Tag. Sie kommen wegen des Inserats. An sich habe ich mich so gut wie entschieden, aber wenn Sie trotzdem hereinkommen wollen, bitte.«
    Das Mädchen zögerte.
    »Entschuldigen Sie. Ich komme nicht wegen eines Inserats, ich bin eingeladen.«
    Golo wurde geschickt, seinen Vater zu holen, fand ihn im Bad, mit Pinzette am Ohr beschäftigt.
    »Deine kleine Freundin ist da, Paps. Fällt unter sozialen Wohnungsbau: ohne Balkon. Herkules hat gleich geknurrt.«
    »Nicht so arrogant, mein Sohn!« sagt

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