Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
die haben sich den Erhalt ihres Traums vom schönen Körper zur Lebensaufgabe gemacht. Isi zum Beispiel, Typ »Beinahe-Miss-Baden-Württemberg«, aber mit Bodenhaftung. Isi war Schönheitskönigin in der neunten Klasse und seitdem auf Erhalt ihres »Adelstitels« bedacht. Inzwischen ist sie erwachsen, steht undefinierbar irgendwo am Anfang der besten vierzig Jahre ihres restlichen Lebens. In manchen Minuten gehört sie zu den zwei Prozent der mit ihrem Aussehen zufriedenen Frauen – glaube ich zumindest, wenn ich mir angucke, wie sie vorm Spiegel steht.
Doch nach der kurzen Freude am eigenen Widerschein befällt sie stets die Furcht, es könne sich etwas verändern – durch Nachlässigkeit, falsche Ernährung, falsche Kleidung, falsche Bewegung, falsche Männer oder versäumte Diäten, Schönheitskuren und Operationen. Moment mal: »Versäumte Operationen«? Gibt es für Isi einen Zwang, zu Skalpell und Botox zu greifen? »Heute geht ja alles«, sagt Isi, »so bin ich den Launen der Natur nicht mehr hilflos ausgeliefert.« In der Tat, vieles ist möglich. Und in Isi weckt jede ungenutzte Möglichkeit die Unzufriedenheit des »Ich hätte, ich könnte, ich sollte«.
Um gegen jeden erdenklichen Selbstzweifel gewappnet zu sein, hegt und pflegt Isi in ihrer Wohnung eine Bibliothek voller Ratgeber zu den Themen »Abnehmen«, »Jungbleiben«, »Fit-Werden«, »Schön-Operieren«, »Schminken«, »Anziehen« und »Glücklich-Sein«.
Ich muss zugeben: Ich gucke da auch ganz gerne mal rein. Den Dauerkampf um die Schönheit fechten nämlich schon lange nicht mehr nur Frauen aus. Knapp 60 Prozent aller Männer wollen jetzt auch gut aussehen – sagen sie zumindest. Für das angeblich stärkere Geschlecht steht allerdings die Nützlichkeit im Vordergrund. Also ein erfüllteres Liebesleben und verbesserte Karriere-Chancen. Ein kerniges »Hauptsache gesund!« reicht nicht mehr.
Wenn ich mir die Männer um mich herum so ansehe und mir ihre Lebenspläne anhöre, kann ich nur sagen: Da kommt was auf uns zu. Nehmen
wir meinen alten Kumpel Matti als Beispiel, der bisher mollig mit ausgeprägtem Pommes-Kuchen-Endlager im Frontbereich sein Leben gelebt hat. Er will, gibt er an, demnächst was tun, um die Wampe endlich in ein Waschbrett zu verwandeln. Er hofft, dass das die Suche nach der Frau fürs Leben erleichtert.
Markus, Manager und, wie er sich selbst nennt, eines meiner »Langzeitprojekte«, benutzt das Wort »Body-Shaping« neuerdings nicht mehr wie ein Fremdwort – seit er einen gleichnamigen Kurs belegt hat. Sein Ziel: Ein Upgrade der kompletten Performance – mit Schwerpunkt auf der Abwicklung der Bauchsparkasse. Danach soll dann der Abflug nach oben kommen. Mindestens eine Stufe höher in der Hierarchie muss jetzt mal sein.
Mein Nachbar Klaus, Lehrer, Klugscheißer, Besserwisser, googelt neuerdings immer öfter Wörter wie »Glatze«, »Tränensack«, »Hühnerbrust« – damit er mitreden kann, wenn die männliche Nachbarschaft in der frauenfreien Zone am Grill diskret Geheimrezepte austauscht. Schließlich will er nicht seinen Ruf gefährden, wo er doch sonst immer alles weiß.
Nur Hans-Dieter, passives Mitglied im Kegelklub meiner Tante Käthe, gehört noch zu den Exemplaren, die sich nicht nur vom Haaransatz bis zur Fersen-Hornhaut gefallen, sondern ihre Geburtstage verschlafen, Spiegel übersehen und Abnutzungserscheinungen aussitzen, um das Älterwerden zu verpassen.
Doch diese Gattung stirbt wohl langsam aus. Die Welt ist kein Dorf mehr, in dem der Mann sich allenfalls mit dem Ortsvorsitzenden messen muss. Multimedial sind modelmaßgeschneiderte Männerfiguren überall verfügbar. Die Konkurrenz in Hochglanzmagazinen und auf Flachbildschirmen schläft nie. Und wenn sich jetzt auch noch das 3D-Fernsehen etabliert, wird es ganz hart für die Männerwelt. Da werden knackige Figuren für die Frau neben ihm auf dem Sofa greifbar – und setzen Maßstäbe, an denen keiner mehr vorbeikommt, wenn er eine Frau von Format beeindrucken will.
So eine wie Sabine, Powerfrau mit Männergehalt. Die verdient ihr Geld selbst, ist nicht mehr auf die inneren Werte der Herren-Portemonnaies angewiesen und guckt ihnen deshalb lieber auf den Body als in die Brieftasche. Das ist Stress – für die Männer, die Sabines Scanner-Blicken standhalten müssen.
Da bleibt keiner mehr resistent gegen ein Verbesserungskonzept aus der Kategorie »Ich könnte doch mal«. Denn spätestens wenn der elegante Sprung ächzenden
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