Ich mach mir Sorgen, Mama
gesteckt hatten. Alle Russen wollten ihr damals raushelfen.
Unsere Babys wuchsen heran, nach zwei Monaten waren es schon keine Babys mehr. Der Besitzer des Katervaters bekam auf seinen Wunsch hin Susanne, Karsten wurde dem Bundespräsidenten geschenkt. Und Angela Davis blieb erst einmal bei ihrer Mama.
Dafür gab es viele Gründe: Weil wir ihre Zunge wahrscheinlich nie vergessen werden, weil sie mich an die Siebzigerjahre erinnerte, und damit unsere Kinder durch die Wohnung rennen und immer mal wieder »Freiheit für Angela Davis!« schreien konnten.
Das Fernsehen in meinem Leben
Als Kind hatte ich selten Zugang zum Fernsehen. Das schwarz-weiße Fernsehgerät der Marke Regenbogen hatte mein Vater in seiner Gewalt. Man musste Nerven aus Stahl haben, um es mit ihm zusammen vor der Glotze auszuhalten. Mein Vater schaute immer dasselbe und kommentierte alle Sendungen auf seine ganz spezielle Art und sehr laut. Zu seinen Favoriten zählte die Sendung »Gesundheit« mit der intelligenten Moderatorin Frau Yulia Belanschikowa, die auf meinen Vater eine starke erotische Wirkung ausübte, egal, ob sie über Fußpilze oder über Rheuma sprach. »Tolle Titten!«, japste mein Vater jedes Mal begeistert.
Außerdem guckte er gern die berühmte sowjetische Fernsehserie »Siebzehn Augenblicke des Frühlings«, die jedes Jahr aufs Neue ausgestrahlt wurde. Es ging dabei um die Heldentaten eines sowjetischen Kundschafters in Nazi-Deutschland. Der Obersturmbannführer Stirlitz (in Wirklichkeit der sowjetische Oberst Isaew) muss sich die ganze Zeit anstrengen, um von den Nazis nicht entlarvt zu werden.
Diese Fernsehserie war mit Abstand die erfolgreichste in der Sowjetunion. Obwohl alle Protagonisten deutsche Namen trugen und stramme Nazis waren, erkannte der sowjetische Bürger in diesem Plot ohne Anstrengung die Atmosphäre und die Intrigen seines eigenen Betriebes wieder. Im Genossen Borman erkannte er seinen Chef der Parteizelle, im Gestapo-Hauptmann Müller seinen Gewerkschaftsvorsitzenden.
Meinen Vater amüsierte diese Serie über alle Maßen. Auch er wurde – genau wie Stirlitz – in seinem Betrieb oft von den Chefs schikaniert und durfte nicht laut sagen, was er dachte. Auch er fühlte sich oft wie ein Spion. Gern zitierte mein Vater deswegen kurze Sentenzen aus dem Film, indem er zum Beispiel wie Stirlitz laut in die Küche rief: »Bringen Sie mir Kaffee, Barbara!« Obwohl er ganz genau wusste, dass es in unserer Küche weder Kaffee noch eine Barbara gab.
An Feiertagen schaute mein Vater sich gerne die Militärparaden auf dem Roten Platz im Fernsehen an und zählte jedes Mal die Langstrecken-Raketen – in der Hoffnung, auf diese Weise die Innen- und Außenpolitik unseres großen Landes zu durchschauen. Ab einundzwanzig Uhr war bei uns zu Hause Stille angesagt, das galt auch für den Fernseher, weil mein Vater sehr früh aufstehen musste, um zur Arbeit zu gehen.
Von dem nicht besonders bunten Fernsehprogramm der Sowjetzeit blieben mir so nur die Filme mit Untertiteln für Gehörlose in Erinnerung, die man auch ohne Ton verstehen konnte. Danach wurden Lehrsendungen ausgestrahlt, immer ab fünfzehn Uhr, wenn ich gerade von der Schule nach Hause kam. Die Programme hießen »Die harte Nuß des Wissens« oder »Mach es dir selber«. Als ich vor zwölf Jahren nach Deutschland umzog, beschloss ich, mir endlich ein eigenes Fernsehgerät zuzulegen, und kaufte bei Kaiser’s einen Panasonic im Sonderangebot für vierhundertneunundneunzig DM. Das war 1991. In der hiesigen Fernsehlandschaft fand ich schnell die einheimische Variante von »Mach es dir selber«. Sie hieß »MacGyver«. Jahrelang verfolgte ich diese Serie und kaufte mir sogar ein Zippo-Feuerzeug, ein Klappmesser und ein Hanfseil, um wie MacGyver auf alles im Leben gefasst zu sein.
1996 wurde ich jedoch Vater und musste bald danach schon die Glotze den Kindern überlassen, damit sie ihre russischen und amerikanischen Zeichentrickfilme auf Video anschauen konnten. Sehr traurig hat es mich nicht gemacht. Zu diesem Zeitpunkt wurde die MacGyver-Serie sowieso eingestellt. Tagsüber laufen bei uns nun ausschließlich Zeichentrickfilme, und abends, wenn die Kinder schlafen, haben wir Erwachsene erst recht keine Lust mehr fernzusehen. Lieber gehen wir ins Kino oder laden interessante Gäste ein und machen bei uns in der Küche eine Talkshow mit Alkohol. Unsere Kinder betrachten deswegen das Fernsehgerät zu Recht als ihr eigenes Spielzeug. Dabei wissen sie nicht einmal, dass
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