Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
Hause sitzt, meine Mutter deswegen ziemlich fertig ist und dass … dass ich, wenn dies wirklich die schönste Zeit meines Lebens ist, nicht gerade scharf darauf bin, den Rest kennenzulernen.
»Roberto, welche Botschaft will uns dieses Gedicht übermitteln?«, fragt Partis, nachdem ihm mein Mitschüler den Kaffee neben das Klassenbuch gestellt hat.
»Dass man eigentlich mit der Seele sieht und dass wir lernen sollen, unter die Oberfläche zu schauen.«
»Genau«, sagt Partis. »Pater Panfili hat uns hiermit die offizielle Meinung der Kirche mitgeteilt. Mal sehen, was der Teufel dazu zu sagen hat.«
Schweigen.
»Komm schon, Alice!«, ermuntert Partis mich laut. Anscheinend bin ich heute der Teufel.
Die Klasse lacht laut, und ich merke langsam, dass sich die Gespenster im Kopf meines Lehrers wohl verflüchtigt haben.
»Also, ich glaube«, beginne ich schüchtern, »dass es um die Unmöglichkeit geht, die Wirklichkeit zu sehen. Der Mann in dem Gedicht hat nach ihr gesucht und jetzt, da der Mensch, den er liebt, nicht mehr bei ihm ist, sucht er sie auch nicht mehr …«
Kaum habe ich in der Pause das Klassenzimmer verlassen, entdecke ich den Grund dafür, dass mich alle mit Blicken verfolgen. Jeder hat die Schülerzeitung bei sich. Während ich den Flur entlanglaufe, starren die anderen mich an und deuten auf mich. Ehrlich gesagt wird mir die Sache trotzdem immer rätselhafter, weil ein Artikel, so gut er auch geschrieben sein mag (super, Alice, sehr gut), unmöglich solche Reaktionen auslösen kann.
In der Bar bahne ich mir meinen Weg bis zum Tresen, vollkommen sicher, dass sich jeden Moment eine von meinen berühmt-berüchtigten Ängsten als berechtigt herausstellen wird, weil mir jemand etwas enthüllen wird, das ich ganz tief in meinem Innern immer gewusst habe: Jeder auf der Welt kennt mich und alle Menschen spielen mir aus irgendeinem unerfindlichen Grund etwas vor.
Plötzlich berührt mich eine Hand an der Schulter. Ich drehe mich so ruckartig um, als hätte jemand mit einer kaputten Flasche auf mich eingeschlagen.
»Alice! Endlich habe ich dich gefunden!«, ruft Guido (so heißt er nämlich, das habe ich inzwischen herausgefunden). »Dein Artikel hat einen ziemlichen Wirbel ausgelöst, hast du gemerkt?«
»Hm, scheint so«, erwidere ich bescheiden. »Obwohl ich nicht ganz begreife, warum.«
»Was heißt das, du begreifst nicht, warum?«, fragt Guido mich ehrlich verblüfft. Dann holt er eine Ausgabe der Schülerzeitung hervor, schlägt sie auf und liest vor: »Mit der Schließung der Abendschulen sendet Mailand seinen Einwohnern eine unmissverständliche Botschaft: Bildung ist ein gesellschaftlicher Faktor, wer arbeiten muss, kann nicht zur Schule gehen. Mein Vater hat vor zwei Wochen seinen Job verloren und ich habe zu arbeiten begonnen, im Moment glücklicherweise nur am Wochenende. Aber mein Vater ist nicht der Einzige, der seine Stelle verloren hat und ich bin nicht das einzige Mädchen, das neben der Schule arbeiten gehen muss. Man muss dieser Logik entgegentreten, man muss deutlich machen, dass … ein anderes Mailand möglich ist.«
Mir verschlägt es die Sprache. Ganz benommen habe ich dem Artikel gelauscht, den ich selbst geschrieben habe. Es kommt mir nicht einmal vor, als wären es wirklich meine Worte.
»Ein bisschen rhetorisch«, fährt Guido fort, »aber wirksam, jetzt wollen alle an der Demo teilnehmen.«
»Demo?! Was für eine Demo?«
»Das Kollektiv der Besetzer hat sie wegen deines Artikels angesetzt.«
»Aber ich habe doch überhaupt nichts von einer Demo gesagt! Ich wollte doch so was gar nicht, ich hab doch nur gemeint, dass …«
»… dass ein anderes Mailand möglich ist und dass man das auch zeigen muss … oder?«
»Keine Ahnung …«
»Na gut, jedenfalls ist es jetzt so und alle sind aus dem Häuschen. Das wird ein Erfolg!«
19 Luca
Im Lilly Restaurant hat man mich genommen. Sehr gut, ich brauchte dringend einen Job. Schwarz natürlich, da ich mit meinem Touristenvisum nicht arbeiten darf, aber der Besitzer des Lokals hat gemeint, da gäbe es keine Probleme. So wie es aussieht, mag er mich. Er hat mir gesagt, wenn er einen Sohn hätte – wozu es allerdings nie kommen wird, hat er gleich klargestellt –, würde er wollen, dass er wie ich wäre.
Auch die Tatsache, dass ich Italiener bin, hat bei unserem kurzen Gespräch eine Rolle gespielt. Als ich erklärt habe, ich könne kochen, da mein Vater Koch sei (ich wusste nicht, wie Hilfskoch auf Englisch
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