Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
senkt den Blick von meinen Augen auf meine Lippen. »Und wenn du willst, erzählst du mir eines Tages davon.«
»Danke«, sage ich und fühle in mir eine merkwürdige Dankbarkeit diesem Jungen gegenüber, den ich kaum kenne. In dem, was er sagt, liegt etwas Gutes, etwas, wobei ich mich entspannen kann, während Luca mich anregt, mich aufregt und in mir diese Leidenschaft weckt, die jeden Moment von uns bestimmt. In Guidos Gesellschaft fühle ich mich wohl, und das ist gar nicht so schlecht.
»Wie schaffst du das nur, so zu sein, wie du bist?«, frage ich ihn.
»Wie denn?«
»Du machst nie einen Fehler, du bist sensibel, aufmerksam, sagst im richtigen Moment das Passende …«
Er sagt nichts, aber seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. »Und das gefällt dir nicht?«
»Doch, und ob mir das gefällt. Genau das meine ich … Du hast schon wieder die richtige Frage gestellt …«
»Ich bin früher ein richtiger Egoist gewesen. Dann habe ich jemandem, den ich sehr mochte, sehr wehgetan …«
Ich schweige, betroffen von seinen Worten, die sich so gar nicht wie die Beichte eines neunzehnjährigen Jungen anhören. Außerdem würde ich zu gern wissen, womit er jemandem wehgetan hat.
»Du, ein Egoist? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Ich habe mich sehr verändert. Ich denke, ich habe bemerkt, dass alles, was ich tue, Konsequenzen nach sich zieht, aber … Ich bin nicht sehr gut darin, meine Gedanken zu beschreiben. Abstrakte Themen machen mir Angst.«
»Ach, zum Glück hast sogar du einen Schwachpunkt. Zufälligerweise bin ich Expertin für abstrakte Themen, da kann ich dir helfen.«
Er sieht mich an und lächelt. Ich beuge mich zu ihm hinüber. Noch ein Kuss auf die Wange, dann steige ich aus.
Als ich die Wohnung betrete, ist meine Mutter noch wach. Sie sitzt in der Küche mit einem Glas Wein vor sich.
»Mama, was tust du da?«, frage ich sie besorgt.
»Ich trinke ein Glas Wein, ich kann nicht schlafen.«
Das kalte Licht aus der Neonlampe in der Küche malt ihr dunkle Schatten auf die Stirn und unter die Augen.
»Mama, dieses Licht ist ja furchtbar«, sage ich, während ich den Schalter neben der Tür drücke und stattdessen die kleine Lampe über dem Herd anknipse.
»Sehr gut, Alice, du bist immer so praktisch.«
»Oh mein Gott, Mama, bist du wirklich betrunken?«
»Papa ist immer noch in der Fabrik. Er sagt, sie bleiben so lange dort, bis man ihre Forderungen erfüllt, aber, darf ich dir mal eine Frage von Mutter zu Tochter stellen?«
»Hmm, versuch’s einfach …«
»Warum kommt er nicht nach Hause?«
»Ist das eine Frage, die eine Mutter einer Tochter stellt?«
»Können nicht die anderen die Fabrik besetzen? Oder warum können sie sich nicht ablösen?«
Ich habe meine Mutter noch nie in einem solchen Zustand gesehen, und obwohl das irgendwie erheiternd ist, beunruhigt es mich auch ein wenig. Jetzt muss ich in meinem persönlichen Katastrophenfilm (mit dem vorläufigen Titel Die schönste Zeit meines Lebens ) zu dem arbeitslosen Vater auch eine trinkende Mutter ins Drehbuch aufnehmen.
»Er fehlt mir so sehr«, sagt sie in einem etwas kindlichen Tonfall, so wie Verliebte manchmal miteinander reden.
Den Rest der Nacht verbringe ich damit, mir Fotos von Luca auf Facebook anzusehen, Bilder aus diesem berüchtigten Lilly Restaurant und von Orten oder Menschen, die ich nicht kenne. Ich denke darüber nach, wie sehr wir uns voneinander entfernt haben, und ich würde diese Entfernung gerne messen können, wie die Hypotenuse von einem rechtwinkligen Dreieck. Ich möchte alles, was mir passiert ist, zu den Personen addieren, die er kennengelernt hat, dann diese Summe durch die Kilometer teilen, die zwischen uns liegen und auf diese Weise verstehen, was aus unserer Liebe geworden ist.
Wie kann man »Ich liebe dich« zu seiner Freundin sagen, bevor man losfliegt, und dann auf dem Tresen eines Nachtklubs zwischen lauter schwulen Tänzern herumhampeln? Meine einzige Hoffnung ist jetzt, dass Martina herausfindet, was da wirklich passiert ist.
31 Luca
Das Flugzeug landet pünktlich um Viertel nach fünf, und ich erwarte sie in der Ankunftshalle. Die automatischen Türen öffnen und schließen sich in unregelmäßigen Abständen. Und jedes Mal halten die Leute von den Hotels ihre Schilder hoch.
Für ihren Besuch habe ich extra die Wohnung geputzt und eingekauft. Ich habe sogar eine bunte Fußmatte gekauft, was mir zunächst ziemlich blöd vorkam (ich war mir sicher, so was würde
Weitere Kostenlose Bücher