Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
unseres Artikels offensichtlich verwendet wurde, er nennt sogar die Namen der Leute, die ich befragt habe.
Ich hole die Visitenkarte des Journalisten heraus und rufe ihn an, während ich wie vom Teufel gejagt die Treppe herunterlaufe.
Ein Klingeln, zwei, drei. Der Mistkerl geht natürlich nicht dran. Ich fasse es nicht, dass er mich so reingelegt hat. Und ich weiß nicht einmal, mit wem ich darüber reden soll, wo ich mich ausquatschen kann, wer mir helfen könnte, das Ganze zu begreifen …
»Hallo, Alice.«
Ich drehe mich so ruckartig um, dass Guido beinahe mit einem Satz zurückweicht.
»He, alles in Ordnung?«
Alles in Ordnung? Diese Frage hallt durch meinen Kopf, springt dort mehrmals auf und ab wie ein Pingpongball, der seinen Schwung verloren hat und bald liegen bleiben wird. Nein, nichts ist in Ordnung. Ich denke an Lucas Fotos auf Facebook, an diese kleine Schlampe, die in seiner Wohnung übernachtet hat, an meinen arbeitslosen Vater, der in einem Igluzelt auf dem Dach der Fabrik schläft, an meine Mutter zu Hause, die um Mitternacht bei einem Glas Wein wirres Zeug redet, sie, die nie etwas trinkt, und sage mir, dass wirklich überhaupt nichts in Ordnung ist.
»Ali, was ist los? Komm schon, was hast du?«
Ich fühle, dass meine Wangen glühen und meine Augen feucht sind. Guido packt mich vorsichtig am Ellenbogen.
»Komm mit, ich bringe dich an einen Ort, der deine Traurigkeit vertreibt.«
»Ich muss zum Unterricht«, sage ich und klinge dabei ziemlich weinerlich.
»Keine Sorge, es ist nicht weit.«
Mit diesen Worten wendet sich Guido zur Treppe nach oben. Wir steigen hinauf bis in den dritten und letzten Stock, wo wir nach links abbiegen. Dort ist eine Tür, er blickt sich verstohlen um und öffnet sie. Wir laufen einen kurzen Flur entlang bis zu einem quadratischen Raum, von dem aus eine Wendeltreppe aus Eisen nach oben führt.
»Sind wir da?«, frage ich ihn.
»Zuerst müssen wir da hoch«, antwortet er und lässt mir den Vortritt.
Wir steigen die Wendeltreppe hinauf, bis wir den Boden eines kleinen runden Raumes erreichen, der höchstens zwei Meter im Durchmesser misst und von einer Glaskuppel überdacht ist.
»Warst du schon mal hier?«, fragt er mich.
»Nein, ich wusste nicht einmal, dass man das darf.«
»Eigentlich ist es verboten, aber ich komme trotzdem manchmal her. Früher konnte man von hier die Sterne sehen. Doch das ist ewig her, jetzt sieht man gar nichts mehr. Aber wenn ich hier bin, fühle ich mich ein wenig wie in eine andere Welt versetzt. Es kommt mir vor, als wäre ich durch die Zeit zurückgereist …«
Während er das sagt, läuft Guido langsam den Umriss des Raumes ab und fährt mit dem Finger an dem Glasdach entlang.
Wir hören beide das Klingeln, das Zeichen zum Pausenende, doch Guido rührt sich nicht. Er sieht mich an und lächelt, und dabei muss ich an Marys Worte denken. Sie sagt, ich soll ihn küssen, um mich an Luca zu rächen. Und vielleicht müsste ich mich jetzt, nachdem ich gesehen habe, wie Luca auf das ganze Durcheinander zwischen uns reagiert hat (die Bilder auf Facebook haben sich unauslöschlich in meinen Kopf eingebrannt), wirklich an ihm rächen, müsste Guido küssen, mich dabei fotografieren und ihm das Bild per Mail schicken. Aber Tatsache ist, dass wir irgendwie quitt sind, auf eine merkwürdige Art und Weise, die ich noch nicht beschreiben kann. Und ich glaube, wenn ich Guido jetzt küssen würde, dann nicht, um Luca eins auszuwischen.
33 Luca
»Okay, du hast fünf Minuten Zeit, um mir deine Version zu erzählen.« Martina sitzt vor mir und sieht mich ruhig, aber ganz eindeutig misstrauisch an. Die brennende Kerze auf dem Tisch zwischen uns und die malerische Aussicht durch die Glasfront auf das Meer sorgen für eine romantische Atmosphäre, die nicht zu unserer eigentlichen Stimmung passt.
»Ich weiß nicht, ob mir fünf Minuten reichen, da müsste ich ein bisschen ausholen, damit man versteht …«
»Sorg dafür, dass sie dir reichen. Das Wichtigste ist schnell erzählt. Hast du mit ihr geschlafen?«
»Kann ich dir die ganze Geschichte erzählen?«
»Also hast du mit ihr geschlafen«, sagt sie trocken. »Okay, dann erzähl. Aber dafür brauchen wir was zu trinken.«
Martina ruft den Kellner und bestellt eine Flasche kalifornischen Wein aus der Karte. Dazu nehmen wir Hummer mit Pommes frites, diese Kombination scheint die Spezialität des Hauses zu sein. Während Martina mit dem Kellner spricht, sehe ich hinaus in die
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