Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
Konsequenzen nach sich.«
»Und wie geht es ihr jetzt?«
»Es geht ihr gut. Jetzt geht es ihr gut. Sie hat einen Freund gefunden, einen besseren als mich, und all die Probleme sind vergessen.«
»Und du … Triffst du dich mit ihr, rufst du sie an?«
»Nein, sie hat mich aus ihrem Leben gestrichen. Und das ist richtig so … Okay, jetzt reicht es aber mit den traurigen Themen. Auf jeden Fall verstehe ich, dass sie mich nicht mehr sehen will.«
»Ach komm …«, sage ich und muss beinahe lächeln, obwohl das jetzt extrem unpassend wäre. »Du hast begriffen, was für einen Fehler du begangen hast, und die Folgen, von denen du mir erzählt hast, sind schließlich nicht ganz so dramatisch gewesen. Es hat sich doch alles wieder eingerenkt, oder nicht?«
Meine Worte scheinen ihn zu beruhigen. Diesmal lächelt er und massiert sich mit beiden Händen die Schläfen.
»Danke«, meint er. »Du bist ausgesprochen klug.«
»Genau, machen wir mit den Komplimenten weiter, das Spiel hat mir gefallen«, erwidere ich in der Absicht, die etwas gedrückte Atmosphäre ein bisschen aufzulockern.
»Du bist nett«, geht er unverzüglich auf meinen Vorschlag ein.
»Danke.«
»Und du bist hübsch«, fügt er hinzu und schaut hinauf zum Himmel.
Diesmal sage ich nichts, aber ich bin sicher, dass meine Wangen dunkelrot geworden sind.
»Kann ich dir etwas über die Sterne erzählen, ohne dass du mich gleich für übertrieben romantisch hältst?«, fragt er mich.
»Hm, mal sehen.«
»Kannst du was mit Etymologie anfangen, interessiert es dich, wo Wörter herkommen?«
»Komplimente mag ich lieber, aber lass hören.«
»Nehmen wir desiderare , das italienische Wort für begehren. Es kommt vom Lateinischen de sideris , und es bedeutet, dass man am Himmel nicht die nötigen Sterne sehen kann, um Weissagungen zu machen. Wenn du sie nicht siehst, fehlt dir etwas und du fühlst eine Leere, und diese Leere nennt man desiderio , Verlangen.«
»Wow!«
»Ich liebe die Etymologie. Wörter sind immer so unzureichend, aber wenn du dich in ihre Geschichte vertiefst … sind sie schon besser.«
Ein Quietschen bricht plötzlich in die Stille. Ich drehe mich um und sehe, dass jemand gerade die Tür geöffnet hat, die vom unteren Stockwerk aufs Dach führt. Ruckartig springe ich auf, aber dann merke ich, dass es nur mein Vater ist.
»He, alles in Ordnung bei euch?«, fragt er.
»Ja, ja, alles in Ordnung, du hast mich erschreckt«, antworte ich ihm.
»Ich habe euch ein wenig Brot und Wurst gebracht«, erklärt er und reicht uns eine weiße Tüte. »Und Wein, wenn ihr mögt.«
»Vielen Dank«, meint Guido und nimmt die Tüte. »Aber wir kommen jetzt sowieso runter.«
Mein Vater sieht Guido an und dann mich, und ich meine einen Augenblick lang in seinem misstrauischen und neugierigen Blick den gleichen Ausdruck wie bei Mary zu sehen, wenn sie wissen will, was los ist. Ich schüttele den Kopf, um das Bild von einer Mary mit Schnurrbart zu verjagen, das gerade in meinem Kopf entsteht, und mein Vater geht wieder.
Guido bricht ein Brötchen in der Mitte durch und gießt zwei Gläser Wein ein.
»Und was wünschst du dir?«, fragt er mich. »Was ist dein desiderio , deine Leere?«
Tja, was ist es? Ich denke nach. Ich weiß es nicht.
»Entschuldige, ich wollte dir keine indiskrete Frage stellen.«
»Aber nein, woher denn. Meine Leere ist augenblicklich sehr weit weg. Und ich weiß nicht mal mehr, ob er es noch ist. Aber wenn es so ist, wie du sagst, dass ich ihn begehre, wenn ich ihn nicht sehe, also, dann ist es bei ihm das Gegenteil. Kaum war er weg, hat er mich schon vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn … Tut mir leid, aber ich habe es nicht so mit der Etymologie, sondern eher mit populären Redensarten …«
Guido prustet laut los, aber dann ist er wieder ernst. »Er kann dich nicht vergessen haben, du bist unvergesslich.«
»Ja, genau, mach weiter mit den Komplimenten«, erwidere ich im Spaß und koste gleichzeitig diese merkwürdige Sicherheit aus, die ich empfinde, wenn ich mit ihm zusammen bin. Dieses Gefühl, unbefangen und gleichzeitig irgendwie amüsant zu sein. Und das alles, weil Luca nicht da ist.
»Und du hast keine Leere?«, frage ich ihn.
Guido lacht und wirft den Kopf in den Nacken.
»Doch, sie sitzt gerade vor mir.«
41 Luca
»Warte hier auf mich. Ich bin gleich wieder da.«
Mit diesen Worten verschwindet Dalila hinter der Badezimmertür und lässt mich allein auf der Bettkante zurück.
Was mache ich hier
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