Ich mag dich wie du bist
der Pirsch.
Das wird nicht leicht.
Er muss die letzten drei Monate im Fitnessstudio verbracht haben, denn er hat jetzt geradezu lächerliche Bizepse, Marke gedopter Superheld. Zum Ausgleich bekommt er jetzt Geheimratsecken, was mich vermuten lässt, dass das Fitnessstudio ein Versuch ist, sein durch den Haarausfall angeschlagenes Ego wieder aufzubauen. Und braun ist er auch schon, wahrscheinlich war er mindestens ein Dutzend Mal auf der Sonnenbank.
»Wie konntest du dich mit so einem einlassen«, brüllt mein verletzter Stolz innerlich auf.
Man muss mir allerdings mildernde Umstände zugestehen, die sich in drei Worten zusammenfassen lassen: Sonne, Herz und Liebe.
Sonne: Ich war seit drei Wochen im Urlaub und fühlte mich in Topform, schlank und braungebrannt. Ich hatte eine nette Clique von Freunden gefunden und wir hingen jeden Abend am Strand ab.
Herz: Luca und ich hatten uns kurz davor getrennt. Ich war also frei und hatte Lust auf einen Sommerflirt.
Liebe: Da war der Sternenhimmel, das Rauschen der Wellen und ein Feuerwerk.
»Na, gleicher Strand, gleiches Meer?«, beginnt der Animateur mit einem Spruch wie von einem miesen Showmaster.
»Äh, ja, du ja wohl auch, oder?«
»Na sicher! Dieses Jahr gebe ich Wassergymnastik am Strand und bin für die Abendunterhaltung zuständig. Hier, ich lasse dir ein Programm da!«
»Oh, danke.«
»Bist du denn allein hier?«
Jetzt ist es so weit, ich muss mir gut überlegen, was ich ihm als Nächstes sage.
»Nein, mit meinen Eltern … und mit meinem Freund.«
Vielleicht bin ich übers Ziel hinausgeschossen.
Er reißt die Augen auf und seine Mundwinkel ziehen sich endlich mal nicht bis über die Ohren. Na ja, als Animateur ist er vielleicht verpflichtet, eine Mimik wie ein Hund aus einer Walt-Disney-Produktion zu haben.
»Ach, ist es was Ernstes?«
»Ja klar, das heißt nein, also er bleibt eine Weile hier und dann fährt er zu seinen Eltern.«
Los, lass deiner Fantasie freien Lauf, Alice.
»Schläft er bei euch im Wohnwagen?«
»Ja … äh, nein, wir haben ein Igluzelt hinter dem Wohnwagen aufgebaut.«
»Und …«
An dieser Stelle werfe ich ihm einen vernichtenden Blick zu. Kümmer dich um deinen eigenen Kram!
»Okay, dann geh ich mal«, ruft er und findet seinen grinsenden Optimismus wieder. Der Animateur ist ein großer Fan der Smile-Kultur. Der klassische Typ, der sich bestimmt schon mehr als einmal anhören musste: »Was gibt’s denn da zu grinsen?«
Sobald ich ihn los bin, renne ich in den Freizeitraum. Beide Computer sind von Familienvätern mit offensichtlichen Arbeitsentzugserscheinungen besetzt. Der eine schreibt und telefoniert dabei mit dem Headset. Der andere liest online Zeitung.
Ich kehre zum Wohnwagen zurück und hole meine Schulbücher und die Romane, die ich lesen müsste. Nun gehe ich zur Bar und verteile sie dort schön ordentlich auf einem der Holztische draußen. Ich hole ein Heft aus dem Rucksack und beginne zu schreiben.
Second-Life-Projekt:
Punkt eins: Den Animateur loswerden. Erledigt.
Punkt zwei: Eine Stunde Internet. Verschoben.
Punkt drei: Einen Lernplan schreiben, um meinen Vater zu überzeugen, dass ich mich ernsthaft ins Zeug lege.
Zehn
Liebe, die Lieben nie erlässt Geliebten
Gegen diese Aussage hat sich in mir schon immer alles gesträubt. Das stimmt nämlich so nicht, ist doch sonnenklar. Und nur weil es Dante geschrieben hat, darf man nichts dagegen sagen. Dante war ein Egozentriker und paranoid dazu, aber das darf man nicht laut sagen, nicht einmal im Spaß. Dabei gefällt mir die Göttliche Komödie eigentlich ganz gut. Die Grundidee ist einfach genial. Nimm alle Politiker, Geistliche, Männer und Frauen, die du kennst, und nach ihren Verdiensten oder ihren Sünden steckst du sie entweder ins Paradies, wo sie es sich gut gehen lassen können, oder in die Hölle, wo sie in Ewigkeit schmoren müssen. Bis zum Beweis des Gegenteils dürfte eine solche Aktion eigentlich nur Gott erlaubt sein. Und wenn das nun stattdessen ein Mensch tut, begeht er dann nicht eine Todsünde, die des Hochmuts?
Dante rechtfertigt sich, indem er sagt, eine Frau habe ihn dazu inspiriert, Beatrice, in die er sich einige Jahre zuvor rettungslos verknallt hatte. Obwohl er dann nicht sie geheiratet hat, sondern eine gewisse Gemma Donati, mit der er auch Kinder hatte.
Niemand hat sich je gefragt, wie sich wohl Dantes Ehefrau gefühlt haben mag, als die Göttliche Komödie erschienen ist.
Liebe, die Lieben nie erlässt Geliebten
Also,
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