Ich mag dich wie du bist
diese Zeile bedeutet Folgendes: Wenn du jemanden liebst, wird er deine Liebe irgendwann erwidern.
Also, ich bin ja durchaus bereit, Dante zu lesen und seine Gedankenwelt zu entdecken, aber wenn er so offensichtlichen Blödsinn schreibt, dann muss man das auch sagen dürfen.
Als ich gerade frisch aufs Gymnasium gekommen war, habe ich mich rettungslos in einen zwei Jahre älteren Jungen verliebt. Seinetwegen habe ich heftige Diskussionen mit meinen Eltern geführt, damit ich bei der Besetzung der Schule mitmachen durfte (weil er die organisierte), ich habe mich ein bisschen bunter angezogen als sonst, denn er war eher der alternative Typ (buntes Halstuch und schrottreifes Fahrrad), ich habe an einem Joint gezogen und so getan, als wäre das absolut normal für mich, und ich habe mich auf tausenderlei andere Arten lächerlich gemacht, habe ihm Tag und Nacht aufgelauert und ihn verfolgt. Und ich war nicht die Einzige. Mindestens fünfzig Mädchen waren in ihn verschossen.
Aber er hat sich in keine von uns verliebt.
Wie seltsam …
Ich nehme den Originaltext zur Hand:
Liebe, die Lieben nie erlässt Geliebten
Es ist schon ein Uhr, zu meiner Stunde Internet habe ich es immer noch nicht geschafft und mein Lernplan, die Hölle aus der Göttlichen Komödie zu wiederholen, hat sich schon längst in Erinnerungen an das vergangene Schuljahr verflüchtigt.
Ich sammle die Bücher ein. Dann gehe ich wieder in den Freizeitraum, aber die beiden Computer sind immer noch besetzt. Die gleichen Familienväter wie vorhin. Am Eingang steht ein unglaublich dünner Typ mit Rastalocken in Badehose und Chucks ohne Schnürsenkel. Auf dem Boden liegen bunte Plakate. Der Rastafari befestigt gerade eins an der Wand: »Reggae Party – every day happy hour, 6 p.m., all night long und länger.«
Der Junge bemerkt, dass ich das Plakat lese und lächelt mich an.
»Komm hin, es gibt gute Musik und die Cocktails kosten nur drei Euro.«
Einen Augenblick lang bin ich sprachlos. Er sieht mich verblüfft an.
»… natürlich nur, wenn du willst.«
»Ja, nein, äh, entschuldige, wo ist das?«
»Dort hinten. Einfach rechts den Strand entlang und dann bist du da.«
Vermutlich hätte er genauso gut sagen können, ich solle dem Weißen Kaninchen folgen …
Der Junge hebt die Plakate auf, lächelt mir zu und geht.
Husch, weg ist er. Und er hat nicht mal gesagt: »Komm, ich zähl auf dich.« Im Film sagen sie das immer.
Diese Szene lässt meine Laune weiter in den Keller sinken, und ich weiß nicht, ob ich mir was zu essen machen soll oder kalt duschen oder mir lieber gleich den Rucksack voller Bücher um den Hals hängen und mich ins Meer stürzen.
Mit herunterhängenden Armen trotte ich zu unserem Wohnwagen zurück. Ich mache das nicht absichtlich, das ergibt sich ganz von selbst.
»Entschuldige, hey, warte mal!«
Das ist er.
Ich setze sofort ein heiteres und unbekümmertes Gesicht auf.
»Hast du vielleicht Klebeband?«
Elf
Ein Junge mit Dreadlocks sitzt auf dem Vorplatz meines Wohnwagens und isst Nudeln mit Tomaten und Mozzarella.
Abgesehen von den Tellern und dem Besteck und einer Flasche Wasser liegt auf dem Tisch noch eine Rolle Klebeband.
Vielleicht habe ich Lucas Plan doch ein wenig zu sehr vorangetrieben, also die Sache mit dem »versuchen, jemanden kennenzulernen«. Aber das ist doch eigentlich ganz normal, oder? Ich wollte mir etwas zu essen machen und dem Rastafari sein Klebeband holen. Und schließlich haben sich die beiden Dinge vermischt. Soll ich mir nun ein Second Life zulegen oder nicht? Na bitte …
»Also du bist mit deinen Eltern hier?«
»Ja, ich hatte keine Wahl.«
»Na ja, aber du kannst doch machen, was du willst, oder? Außerdem steht dein Wohnwagen praktisch am Strand. Wo gehst du denn zum Baden hin?«
»Kommt drauf an, wir wechseln oft, mein Vater sucht gern neue Strände.«
»Cooler Typ, der macht’s richtig, hier gibt es die unglaublichsten Plätze, ich komme seit vier Jahren her, es ist supergeil , lu mare, lu sule, lu ientu , wie es bei den Sud Sound System heißt.«
Ich vermute mal, ich sollte wissen, wer diese Sussound oder so ähnlich sind, also nicke ich lächelnd, als wollte ich sagen: »Ja, stimmt genau.«
»Und du, wo wohnst du?«
»Weiter unten am Strand gibt es noch einen Campingplatz und davor ist diese Bar, wo es die Reggae-Happy-Hour gibt, da musst du unbedingt hin!«
An dieser Stelle überlege ich, irgendetwas zu sagen, womit ich rechtfertigen kann, dass ich mit den Eltern in
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