Ich mag dich wie du bist
gehen müssen.«
»Und ich habe nur gesagt, dass meine Worte keine Kritik waren.«
»Aber es hat sich so angehört.«
Fede starrt unsere Eltern an, als wären sie eine seltene Spezies zurückgebliebener Säugetiere.
»Ich geh und zieh mir schon mal meinen Bikini an«, sage ich und betrete den Wohnwagen.
Um zum Strand des Campingplatzes zu gelangen, muss man den Platz erst durch das Haupttor verlassen. Wir laufen etwa hundert Meter auf einer unbefestigten Straße, bevor wir den kostenpflichtigen Parkplatz direkt hinter dem Strand erreichen. Dort stehen ungefähr zweihundert Autos, und alles lässt darauf schließen, dass der Strand, wie mein Vater es ausdrücken würde, eine einzige »Fleischbank« ist.
Wir nehmen den schmaleren Weg durch das Kiefernwäldchen, gemeinsam mit einer mit allen Schikanen ausgerüsteten Familie: Luftmatratzen, Schlauchboot, große Eimer mit Schaufeln, Sieben und Förmchen in allen Größen und Farben, kofferraumgroße Kühltaschen, Klapptischchen, Plastikstühle und Hängematten.
Sobald wir den Strand betreten, stellen wir mit Erstaunen fest, dass die Leute sich dort gut verteilen und wir finden sogar noch einen Platz direkt am Wasser.
Fede bietet an, den Sonnenschirm aufzustellen, während ich zwei Handtücher ausbreite. Nicht zu fassen, das ist für heute alles, was wir aufbauen.
»Hätten wir nicht wenigstens Wasser mitnehmen sollen?«
»Mama, wenn wir Durst haben, gehen wir zur Bar, und in zwei Stunden sind wir sowieso wieder auf dem Campingplatz.«
Weil meine Eltern sich gestritten haben, hat meine Mutter aus Trotz all unseren Bitten zugestimmt. So haben Fede und ich es übertrieben: Nicht mal eine Flasche Wasser haben wir dabei.
Sie ist nicht ganz überzeugt und sieht sich nervös um.
Rechts von uns lagert eine ganze Familie, mit Oma auf der Liege und Sprösslingen, die an der Wasserlinie Sandburgen bauen. Ich fürchte, die gute Frau könnte sich jeden Moment auf den Boden werfen und mit ihren Enkeln Löcher in den Sand graben.
Zu unserer Linken ist ein Grüppchen Jungs und Mädels, sie haben keinen Sonnenschirm dabei. Zwei spielen sich mit Holzschlägern einen kleinen Ball zu.
Bis zwanzig Meter vom Ufer ist das Wasser hier flach, deshalb ist dort das Meer voll mit Leuten, die sich unterhalten, Ball spielen oder einfach herumlaufen.
Als meine Mutter sich endlich ein wenig zu entspannen scheint (Fede hat ihr eine Art Sitzmulde in den Sand gebuddelt), geschieht das Unvermeidliche: Eine Gruppe übergewichtiger Frauen, angeführt von einer Art braungebranntem Meister Proper im Badeslip wirft sich genau vor uns ins Wasser und fängt an herumzuzappeln wie Lachse mit einem epileptischen Anfall.
Sie kommen von unserem Campingplatz, und der verbrutzelte Typ ist … der Animateur.
Ich hoffe nur, dass er mich nicht entdeckt.
»Was für eine nette Idee!«, zwitschert meine Mutter und steht neugierig auf.
»Kommen Sie doch zu uns, Signora!«, ruft der Animateur, ohne seine Zuckungen auch nur einen Moment lang zu unterbrechen.
Meine Mutter kichert verlegen, aber man sieht genau, wie sie nur darauf wartet, dass der Animateur nicht lockerlässt.
»Und bringen Sie doch auch Ihre Freundin mit! Aber … das ist ja Alice! Sehr schön, dann haben wir zwei Neue: Alice und ihre große Schwester, und die heißt wie?«
»Susanna«, sagt meine Mutter leise, aber das geht im Gelächter unter.
Der Scherz mit der großen Schwester hat die Meute zum Toben gebracht.
Vierzehn
Acht Uhr dreißig: Muskel-Warm-up.
Neun Uhr dreißig: Yoga.
Zehn Uhr dreißig: Wassergymnastik am Strand.
Achtzehn Uhr: ReKreativ-Aperitif am Pool.
»Was schreibst du da eigentlich?«, frage ich meine Mutter, während ich das letzte Geschirr abräume. Heute Abend bin ich mit Abwaschen dran.
»Ich stelle mir ein schönes Programm aus den Freizeitaktivitäten vom Campingplatz zusammen.«
Mein Vater kann nichts dagegen sagen, zwischen den beiden herrscht immer noch dicke Luft. Deshalb knurrt er lediglich.
Meine Mutter hat mir meine Idee geklaut: Morgen beginnt ihr Second-Life-Projekt.
Ich nehme die Plastikschüssel mit dem Geschirr und den Töpfen und verschwinde Richtung Duschen.
Luca sagt immer, Spülen hätte etwas Meditatives. Er meint, alles hängt davon ab, wie man an das Ganze herangeht. Wenn man die Sachen abwäscht, weil man denkt, dass man sie ja morgen wieder braucht, dann will man es einfach nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. Das heißt nicht, dass man es schlecht macht, aber man
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